merkwürdiges Geräusch beim Kurvenflug

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acanthurus
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#16 Re: merkwürdiges Geräusch beim Kurvenflug

Beitrag von acanthurus »

Ohne hier behaupten zu wollen dass das in deinem Fall wirklich die Ursache ist, noch was zum "zwitschern" bei Rotorblättern.
Es gibt grundsätzlich eine ganze Reihe von Geräuscherzeugung an Rotorblättern. In einem Forum für manntragende Luftfahrt hab ich das vor eingien Jahren mal zusammengefasst und jetzt hier angehängt - mit dem Hinweis, dass manches davon auf Modellhelis nicht anwendbar ist, z.b. HSI-Lärm.
In deinem Fall dürfte es sich um die Geräuschentwicklung infolge einer laminare Ablöseblase gehandelt haben, wobei die bei den bei modellhelis üblichen Drehzahlen NICHT stoßinduziert sein wird sondern aus der Profilaerodynamik (laminare Ablösung bei kleinen Reynoldszahlen) auftritt.
Ich hatte diesen Effekt mal auf M-Blades ziemlich deutlich, es war eine laminare Ablösung, welche durch Aufbringen eines Turbulators sofort wegzubekommen war.

gruß
andi

-HSI-Lärm.
HSI steht für High-Speed Impulsive Noise
Dieser Lärm entsteht dadurch, dass im bereich der Blattspitze in lokalen Bereichen die Schallgeschwindigkeit überschritten wird. Das bedeutet NICHT, wie man so oft fälschlicherweise liesst, dass die Blattspitze überschallschnell ist. Schon unterhalb der Schallgeschwindigkeit bewirkt die Verdrängung und der Anstellwinkel des Profils eine Beschleunigung der Strömung über die Anströmgeschwindigkeit hinaus. Bereits bei Anströmmachtahlen um 0.7 treten deshalb lokale Überschallgebiete auf. Diese werden i.d.R. durch einen sog. verdichtungsstoss abgeschlossen, welcher einen starken Drucksprung bewirkt. Da dieser Drucksprung aufgrund des drehenden Rotorblattes nicht raumfest ist erzeugt er ein sehr starkes Wechselfeld des Druckes, m.a.W SCHALL. Diese Lärmquelle kennt man v.A. von Hubschraubern im schnellen Reiseflug... das typische UH-1D-Knattern ist HSI-Lärm.

-BVI-Lärm.
BVI heisst Blade-Vortex-Interaction, also Blatt-Wirbel-Interaktion. Er entsteht, wenn das Rotorblatt auf seinem Umlauf einem Blattspitzenwirbel eines vorangegangenen Blattes begegnet.
Die Begegnung bewirkt eine kurzfristige Änderung des Anströmzustandes am Blatt, was wiederum ein Druckwechselfeld erzeugt - Schall.
Da die Wirbel im Reiseflug normalerweise schräg nach unten abschwimmen, tritt BVI in "Sondersituationen" verstärkt auf, z.B. beim Sinkflug. Das hängt sehr stark von Sinkrate und Vorwärtsgeschwindigkeit ab, es gibt besonders ungünstige Fälle wo Blattspitzenwirbelachse und Rotorblatt einigermassen parallel verlaufen, und dann wird die Druckstörung besonders intensiv.
Auch der Lärm, der oftmals als "Schlaggeräusch" bezeichnet wird, besonders bei Manövern auftretend, ist eine Form von BVI-Lärm, der dadurch entsteht, dass z.B. beim Ziehen in Kurven die Blattspitzenebene nach hiten geneigt wird und damit die abschwimmenden Wirbel erreicht werden.

-Turbulenzlärm
Die Strömung über ein Profil wird normalerweise beim Überströmen der Hinterkante eine turbulente Strömung sein. Diese sind gekennzeichnet durch statistische Geschwindigkeitsschwankungen. Diese interagieren mit der Hinterkante (oder beim Fenestron mit dem Strömungskanal) und erzeugen ein Druckwechselfeld mit breitem Spektrum, welches wir als Rauschen wahrnehmen. Für Hubschrauber nicht unbedingt eine dominante Lärmquelle, mit Ausnahme von Fenestron.Hubschraubern.

-Lärmquelle Ablöseblase
In manchen Situationen können am Profil laminare Ablöseblasen mit anschliessendem turbulenten Wiederanlegen entstehen. Ursachen dafür liegen a) in der Profilaerodynamik (Druckanstieg etc..) und b) in der sog. stossinduzierten Ablösung. Der im HSI-Abschnitt erläuterte Verdichtungsstoß bewirkt einen Druckanstieg, den die Grenzschicht nicht überwinden kann, es folgt eine Ablösung mit turbulentem Wiederanlegen. Leiderleider sind laminare Ablöseblasen in ihrer Ausdehnung nicht stabil, sie haben eine charakteristische Eigenfrequenz, mit der sie schwingen. Das ist hörbar. Leicht zu beobachten ist der Ablöseblasenlärm z.B. bei einem stehenden Jetranger mit runtergenommenem Pitch, man hört ein charakteristisches "zwitschern".

-Burble Noise
Das ist der Lärm der entsteht, wenn der Heckrotor die Wirbelschleppe des Hauptrotors durchschneidet. Der Name ist sehr bildlich, es ist das dumpfe blubbernde Geräusch, sehr stark richtungsabhängig, welches man von manchen Hubschraubern im Reiseflug kennt.

-Teilungsgeräusch
Teilungsgeräusch beim Fenestron entsteht durch das periodische Aufeinandertreffen der Nachlaufströmungen von Fenestronblättern und Leitschaufeln. Dem wird heutzutage durch mehrere Maßnahmen entgegengewirkt: Schrägstellen der Leitschaufeln, ungleichmässige Teilung der Fenestronblätter, unterschiedliche Anzahl von Leitschaufeln und Blättern (kleinstes gemeinsames Vielfaches möglichst groß wählen)
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echo.zulu
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#17 Re: merkwürdiges Geräusch beim Kurvenflug

Beitrag von echo.zulu »

Hallo Andi.
Wie immer sehr interessant. Zum Thema laminare Ablöseblase und Turbulator hätte ich ne Frage:
In welchem Blattbereich tritt das vornehmlich auf? Nach meinem Verständnis ja wohl eher weiter innen, da ja die Reynoldzahl nach außen hin immer größer wird. Was für einen Turbulator hast Du aufgeklebt? Also wie dick und in welchem Bereich entlang des Profils?
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acanthurus
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#18 Re: merkwürdiges Geräusch beim Kurvenflug

Beitrag von acanthurus »

Hallo, Egbert.

Ich hab grad mal gewühlt, aber leider keine brauchbaren Photos davon gefunden. Deshalb halt in Textform.

Die M-Blades hatten ein NACA0012 drauf. Das Profil ist bekannt dafür, bei kleineren effektiven Anstellwinkeln (so um 2°) im Bereich des hinteren Drittels der Profiltiefe auf der UNTERseite eine laminare Ablöseblase zu entwickeln.
Der Turbulator (gewöhnliches Zackenband 0,3mm wenn ich mich recht erinnere) saß deshalb bei etwa 60% Profiltiefe - und zwar nur in den äußeren 50% der Blattlänge.
Im Innenbereich ist a) die aerodynamische Wirksamkeit schlecht, b) im Vorwärtsflug die anteilige Änderung im effektiven Anstellwinkel aufgrund der Schräg- und Rückanströmung viel größer, weshalb sich dort keine "ärgerliche" Ablöseblase über längere Zeit (volle Rotorumdrehung) halten kann und sich der Turbulator nicht lohnt.
Die laminare Ablöseblase ist kein ausschließliches Problem winzigster Reynoldszahlen.

Dieses Ergebnis (Ursache, Wirkung, Beseitigung) lässt sich aber kaum verallgemeinern und müsste heutzutage auch im Licht der deutlich nach oben gegangenen Kampfdrehzahlen neu beleuchtet werden. Damals, mit bescheidenen 120 rad/s, also etwa 1150rpm auf einem 1,5m-Durchmesser-Rotor, waren die betroffenen Bereiche vielleicht sogar noch etwas kleiner als das heute der Fall sein könnte. Ich hab das damals auch nicht übertrieben, was Analyse und Optimierung angeht.

Gruß
andi
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#19 Re: merkwürdiges Geräusch beim Kurvenflug

Beitrag von echo.zulu »

Hi Andi.
Danke für die Info. Das wäre in der Tat mal einen Test wert. Bei den Graupner S-Schlag Blättern, die ich auch noch irgendwo habe, hatte man auch dieses komische Zwitscher-Geräusch. Ich denke allerdings auch, dass es sich bei den heute üblichen Mörderdrehzahlen in Verbindung mit den selten stationären Flugzuständen kaum lohnen würde.
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acanthurus
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#20 Re: merkwürdiges Geräusch beim Kurvenflug

Beitrag von acanthurus »

Hi..

Lohnen... um was zu erreichen? :lol: Spaß am Verstehen, mehr nicht. An der Performance wirst du kaum was spüren. Bei meinen M-Blades hat es jedoch ein verbessertes Flugverhalten gebracht, aber das war ohnehin ein anspruchsvolles Ding (Zweiblatt FBL ohne FBL-System...)

Bei den S-Schlag-Blättern wäre es zudem wohl eher eine empirische Kunst. Zwar könnte man per X-Foil, XFLR5 oder Eppler-Code rausfinden, WO die Ablöseblase sitzt, bzw. wo die Transition hin muss damit sie weg ist, dafür müsste man aber erst mal ne Peilung haben, was für ein Profil da überhaupt drauf ist.

Vorsichtig muss man auch bez. Aufbringung der Stolperstelle sein, damit die bei 2000+ g nicht davonfliegt.
Ein Tipp dazu: die Stolperstelle in 2cm-Schritten durchschneiden. WENN was davonfliegt, dann nicht alles auf einmal, und nie soviel dass es den Heckrotor ausbremst oder die Hauptrotorwuchtung (und aerodramatik) einseitig ruiniert.

gruß
andi
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