Taumelscheibenlose Anlenkung

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stubb0rn
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#1 Taumelscheibenlose Anlenkung

Beitrag von stubb0rn »

Servus

Ich beschäftige mich gerade intensiver mit dem Design von Rotorköpfen, speziell der Anlenkung der Rotorblätter.
Jetzt gibt es ja die "standard" Lösungen wie gelenklos, lagerlos gelenk- und lagerlos bzw. natürlich die mit Lager und Schlaggelenk. Bei meinen Recherchen bin ich aber auch auf ein Konzept gstoßen bei dem es keine Taumelscheibe mehr gibt und das hat mich irgendwie fasziniert.
Konnte dazu allerdings nicht viel finden und schon gar nicht im Bereich des Modellbaus.

Jetzt meine Frage, ist euch da irgendwas bekannt, oder hat Jmd. Artikel zur Hand wo über dieses Thema berichtet wird?
Wäre euch für jeden Input dankbar.
Gruß
Patrick

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GerdSt
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#2 Re: Taumelscheibenlose Anlenkung

Beitrag von GerdSt »

Zur Hand habe ich auch keinen Link, aber es gibt zumindest zwei Konzepte dafür.

Konzept 1 taugt nur für Spielzeug. Hier wird die Winkelgeschwindigkeit des Rotors während einer Umdrehung moduliert. Eine spezielle unsymmetrische Konstruktion des Rotorkopfes sorgt dann dafür, dass sich der Rotorstrahl so verhält wie mit einer Taumelscheibe. Es gab mal ein Indoor-Modell vor ewigen Zeiten nach diesem Prinzip, hat sich aber nicht durchgesetzt.

Konzept 2 wurde von der NASA zusammen mit Sikorsky verfolgt, bei einem Projekt namens X-Wing. Ein Prototyp flog m.W. sogar damit, aber es ist sehr still geworden.
Es handelt sich dabei um einen Vierblatt-Rotor mit eliptischem Blattquerschnitt. Sowohl an der Vorder- als auch Hinterkante der Blätter befinden sich über die ganze Länge Luftdüsen. Austretende oder abgesaugte Luft machen aus dem eliptischen Profil ein tragendes Profil, wobei man frei wählen kann, welche Seite des Blattes nun vorne oder hinten sein soll.
Anstelle einer Taumelscheibe gibt es zwei Teller mit unzähligen Luftschläuchen auf der Rumpfseite und wenigen auf der Rotorkopfseite, welche zu den Düsen in den Blättern führen. Die Steuerung erfolgt durch unterschiedlichen Luftdruck auf den vielen rumpfseitigen Luftschläuchen, die ja nach Rotor- bzw. relative Tellerstellung gegeneinander auf die Rotoren durchgeschaltet werden.
Hat der Hubschrauber seine Reisegeschwindigkeit erreicht, bei der seine zusätzlichen kleinen Tragflächen genug Auftrieb bringen, wird der Rotor ausgekuppelt und in X-Stellung verriegelt. Dann wird die Luftzufuhr an die Rotorblattdüsen so eingestellt, dass alle Blätter wie zusätzliche Tragflächen wirken.

Gruß Gerd
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seitwaerts
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#3 Re: Taumelscheibenlose Anlenkung

Beitrag von seitwaerts »

Moin!

Im Modellbereich wird es da mit Sicherheit noch nichts geben, da ich mir nicht vorstellen kann, wie solch kleine Aktuatoren die notwendige Leistung bringen sollten.

Im manntragenden Bereich sind mir jetzt nur die Sikorsky X-2 und deren Nachfolger S-97 bekannt.
Aber auch dazu gibt es nicht viel an Informationen...
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echo.zulu
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#4 Re: Taumelscheibenlose Anlenkung

Beitrag von echo.zulu »

Ich kenne noch ein weiteres System, welches z.B. bei der Bristol Sycamore und auch in den frühen Tagen bei der Focke 61 und der Focke-Achgelis FA-223 Drache verwendet wurde. Bei den aktuellen Helis ist der Rotorkopf der Robinson R-22 so aufgebaut.

Kennzeichnend für diese Konstruktion ist, dass keine klassische Taumelscheibe unterhalb des Rotorkopfs verwendet wird, sondern es oberhalb des Kopfs ein Steuerstern verwendet wird. Dieser Stern dreht sich mit dem Rotorkopf mit und ist für die kollektive Steuerung entlang der Rotorwelle verschiebbar und kann für die zyklische Steuerung in alle Richtungen geneigt werden. Die Ansteuerung erfolgt über eine fest mit dem Stern verbundene Koppelstange, die innerhalb der hohlen Rotorwelle gelagert ist. Unterhalb der Rotorwelle befindet sich die Ansteuerung für alle Funktionen. In diesem Bild kann man die Ansteuerung bei der Bristol Sycamore ganz gut erkennen.

Ich hoffe, dass ich das Prinzip verständlich erklärt habe. Falls nicht, frag einfach nach.
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face
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#5 Re: Taumelscheibenlose Anlenkung

Beitrag von face »

Auch die X2 besitzt eine Art Taumelscheibe, nur dass die Anlenkungen durch die Rotorwelle laufen.
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seitwaerts
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#6 Re: Taumelscheibenlose Anlenkung

Beitrag von seitwaerts »

Irgendwo bei der Präsentation der X-2 sprach man von einem "swashplateless design"... :?:
Mehr weiss ich dazu leider auch nicht, das Netz hüllt sich dazu in Schweigen. :(

Das von Egbert genannte Design mit dieser "Steuerspinne" war bis zur Erfindung der Taumelscheibe, und auch danach noch, gebräuchlich.
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face
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#7 Re: Taumelscheibenlose Anlenkung

Beitrag von face »

Naja ist halt von außen keine Taumelscheibe zu sehen. Ich hab mir das Patent dazu angeschaut, ist zwar schon was her... Im Grunde hat die sozusagen auch zwei Taumelscheiben, das ist aber keine ganz simple Angelegenheit wie das da verbaut ist. Ist nunmal eine besondere Bauweise an Taumelscheibe und zusätzlich noch anders gelöst als bei den Kamov-Koaxen, weil der Platz zwischen den Rotoren (der ja so gering sein soll) keinen Raum lässt für die Schiebehülsenmechanik die Kamov da verwendet. Es handelt sich aber höchstwahrscheinlich um zwei Steuerringe unterhalb der Rotoren und einem System von Steuerstangen die durch die hohle Rotorwelle laufen.

Ansonsten gibts halt wirklich nur noch das Steuerspinnenprinzip was Egbert angesprochen hat.
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acanthurus
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#8 Re: Taumelscheibenlose Anlenkung

Beitrag von acanthurus »

Hi.
In den späten 90ern wurden einige unterschiedliche Konzepte mit Modellhubschraubern erprobt.
Bemerkenswert sind dabei u.A. die Arbeiten von Ron Barrett - Barrett, Frye, Schliesman: Design, construction and characterization of a flightworthy piezoelectric solid state adaptive rotor, schau mal hier ins Literaturverzeichnis: http://books.google.de/books?id=o_eRr2q ... er&f=false
Ansonsten auch mal nach den Arbeiten von Inderjit Chopra googeln.
Ich hab irgendwo im Fundus ne Reihe von Veröffentlichungen (das meiste AIAA-Paper) welche sich mit dem Thema befassen- muss mal wühlen gehen.

Prinzipiell muss man sagen dass die meisten "alternativen Konzepte" wie Klappensysteme nicht unbedingt dazu geeignet (oder gedacht) sind, um die primäre Steuerung zu ersetzen,. sondern um sie zwecks Lärm- und Vibrationsreduktion zu ergänzen.
Bei den aktuellen Helis ist der Rotorkopf der Robinson R-22 so aufgebaut.
Der Robby hat ne ganz popelige Taumelscheibe, nur sind die Stoßstangen so kurz dass man es kaum sieht. guggsdu http://www.b-domke.de/AviationImages/Ro ... s/1674.jpg


Spinnensteuerung gibt es bei der Bristol 171 Sycamore und (afaik) bei der Westland Lynx.

Es gibt dann noch Helis mit innenliegenden Steuerstangen, aber das ist im Prinzip auch nix anderes als ne Taumelscheibenansteuerung, nur dass noch ein paar Umlenkhebelchen mehr fällig werden. Typüische vertreter sind die Muster von Enstrom.

Auch Steuerung per Klappe als Primärsteuerung wurde verwirklicht, wenn auch nicht über rotorinterne "schnelle" Aktuatoren. Die Kaman-geräte (K-Max...) sind da der klassische Vertreter.

gruß
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stubb0rn
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#10 Re: Taumelscheibenlose Anlenkung

Beitrag von stubb0rn »

Hey danke für euren vielen Beiträge.

Ich werd mal schaun ob ich ein paar der Literaturverweise bei uns in der Uni auftreiben kann. Vielleicht ist das ja was bei.

Die meisten Konzepte scheiden ja im Modellbereich mangels Platz aus, was mich allerdings interessiert ist, gibt es Bestrebeungen selbstverbiegende Rotorblätter auch im Modellmaßstab zu fertigen bzw. wie sieht das mit Aktuatoren im Rotorkopf aus? Sind die Kräfte da zu groß für eine Anlenkung? Größenordnung?
Gruß
Patrick

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acanthurus
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#11 Re: Taumelscheibenlose Anlenkung

Beitrag von acanthurus »

Hallo, Patrick

Derartige Ansätze sind wohl für die Hersteller derzeit nicht sonderlich interessant, allerdings darf man sie auch nicht ins Reich der Fabel verschieben.
Ron Barrett hat dazu Versuche gemacht - diagonal angeordnete pieozelektrische Dehnungselemente wurden verwendet, um die Rotorblätter eines Prüfstandes im Modellmaßstab zu verdrillen. Er baute dann diesen Klapparatismus in einen Pseudo-Modellheli ein, eine Kyosho Hyperfly (wem das noch was sagt).
Allerdings - und der Trick ist natürlich sinnvoll - verdrehte er dort die Stabistange und nicht den Rotor selbst. Das spart Kräfte.
Ich habe Ron kurz nach der damaligen Versuchsserie getroffen und mit ihm drüber diskutiert - die Sache scheiterte nicht zuletzt daran, dass sein Team keinen erfahrenen Piloten hatte - und auch ein richtiger Elektronik-Experte fehlte. Die Piezo-Aktoren werden mit Hochspannung angesteuert, und die Bastelei, die man da machte (völlig überlasteter Treiber direkt an einer Servoelektronik) war mehr als abenteuerlich. Die Hyperfly segnete sehr schnell das Zeitliche. Sehr schade. Dem amerikanischen Stil entsprechend hat Ron dann lieber ne dicke DARPA-Förderung rausgehandelt und an aktiven Finnen für Bomben weitergeforscht :(

Die heute verfügbaren smart actuators haben nicht die Leistungsfähigkeit (Kraft, Stellweg UND SChnelligkeit gleichzeitig), welche erforderlich wäre, um eionen Modellheli aktueller Bauart zyklisch zu steuern. Wenn man allerdings das Heli-Design (Rotorsystem) grundlegend ändert (und das schließt möglicherweise eine Rückkehr zu einer Stabistange ein), dann wäre es sicher möglich, eine steuerbaren Heli herzustellen. Bevor das jedoch praxistauglich würde müsste richtig viel Arbeit reingesteckt werden, das geht nicht zwischen Tür und Angel und nur mit fundamentalem Verständnis für Rotordynamik.

Lange Rede, kurzer Sinn:

-Für den Bastler viel zu aufwendig
-Für die Hersteller viel zu teuer
-Für die Performance-hungrigen noch viel zu schlaff.

Aber die Smart Actuators Forschung macht Fortschritte...

gruß
andi
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