Versetzte Rotorebenen

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stubb0rn
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#1 Versetzte Rotorebenen

Beitrag von stubb0rn »

Servus

Ich bin z.Z. dabei einen eigenen Heli zu konstruieren. Bisher bin ich hauptsächlich Literatur am wälzen wobei mir eine Idee/Frage gekommen ist auf die ich mir noch keine Antwort geben kann/finden konnte.

Gibt es einen Leistungsmäßigen Vorteil, wenn (bei einem 4 Blatt Rotor) die jeweils 90° verschobenen Blätter in der vertikalen Achse versetzt angebracht werden? Also dass die gegenüberliegenden Blätter ein paar mm tiefer liegen als die Anderen beiden?
Mein Gedankengang war, dass so Verwirbelungen an den Blattspitzen mehr Platz haben sich aufzulösen und das folgende Rotorblatt nicht in den Turbulenzen am rühren ist. Allerdings bin ich mir nicht sicher ob ein Blattversattz das Ganze nicht nur schlimmer macht.

Kennt sich da zufällig jemand aus?

VG
Patrick

PS. Falls das im falschen Unterforum gelandet ist, die Bitte an einen Mod den Thread zu verschieben.
Gruß
Patrick

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Sniping-Jack
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#2 Re: Versetzte Rotorebenen

Beitrag von Sniping-Jack »

Leider liegst du falsch damit, da es zwar (theoretisch) für 2 Blätter besser würde,
dafür aber für die jeweils anderen (tieferen) Blätter um so schlechter. Auf deutsch:
Es ist ein Nullsummenspiel.

Die einzige Möglichkeit, die Effizient zu verbessern, ist die Reduzierung der Blattzahl.
Mit einem Monoblade hast du dann den besten Wirkungsgrad, allerdings ist der Massen-
ausgleich nicht ohne. Mit Paddelkopf ginge es noch, da machen die Vibrationen durch
den umlaufenden Auftrieb nichts aus. Aber FBL wäre damit wohl tabu.

Das Einzige, was ich mir vorstellen könnte, wäre eine axial versetzte Ausgleichsmasse,
die an der Rotorwelle an einer ganz bestimmten Stelle unterhalb der Rotorebene das
Moment des umlaufenden Auftriebs kompensiert. Was ich nicht abschätzen kann: Wie
weit unterhalb wäre die Position anzusetzen, damit die Vibrationen ganz verschwinden?
Wäre denkbar, dass dieser Punkt weit unterhalb des Landegestells läge. In dem Fall wäre
der Ausgleich nicht komplett und die Kiste würde immer noch Vibrieren. Wieviel, wüsste
ich erst recht nicht zu sagen. Und achja, man müsste sich entscheiden: Vibrationsfreiheit
beim Schweben? Beim Vorwärtsflug? Denn sobald sich der Pitch ändert, müsste auch das
Ausgleichsgewicht auf der Achse verschoben werden! :drunken:

Also: Mono-Blade-Copters gab es als Manntragende und auch als Modell. Aber der Mann-
tragende wurde wegen den Vibs als wenig prickelnd empfunden und beim Modell schließt
sich ein FBL-Betrieb aus - aus denselben Gründen.

Fazit1: Willst du die beste praktikable Effizienz, musst du 2-Blatt wählen. Willst du 4-Blatt,
musst du damit leben, dass der im Vergleich etwas mehr Energie frisst. Aber dafür schaut
er halt auch scale aus und wenn du die Drehzahl so weit wie möglich reduzierst, hält sich
auch der Energieverlust in engen Grenzen. :)

Merke: Es ist fast immer der Heckrotor, der zuerst begrenzt (höhere Übersetzung oder größere
Blätter sind Pflicht) und es ist nicht der höhere Anstellwinkel bei kleinen Drehzahlen, der
bremst, sondern trotz kleinerem Anstellwinkel die höhere Drehzahl! In anderen Worten:
Angenommen, das Heck spielt in beiden Fällen mit, sähe ein Vergleich so aus (mit Beispiel-
drehzahlen):

- 1000RPM und 10° Schwebepitch => 10min Flugzeit
- 1500RPM und 6° Schwebepitch => 7min Flugzeit

Die Werte sind jetzt nicht erflogen, sondern exemplarisch gewählt, um die Tendenzen zu ver-
anschaulichen. In der Praxis mit dem eigenen Heli mag es wieder anders aussehen, doch die
Tendenz ist dieselbe: Weniger RPM verlangt zwar mehr Pitch zum Schweben (als verlässliche
Vergleichsübung), aber der Energiemehrverbrauch bei mehr Pitch ist linear, während der der
Drehzahl quadratisch ist!


Fazit2: Kannst/Willst du die Blattzahl nicht ändern, bekommst du den besten Effizienzgewinn
über möglichst geringe Drehzahlen. Doch ohne das Heck zu modifizieren sind die Gewinne meist
unerheblich. Daher: mehr Drehzahl und/oder größere/breitere Heck-Blades sind Pflicht, um wirklich
was zu reißen. Und natürlich müssen die Pitchwerte, wie auch die zyklischen Stellwege erweitert
werden, damit sich der Heli nicht total schwammig anfühlt.


Hoffe geholfen zu haben.
Grüße,
Jack
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acanthurus
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#3 Re: Versetzte Rotorebenen

Beitrag von acanthurus »

@Jack: Gut gebrüllt, Löwe

Eine Kleinigkeit möchte ich speziell zur Eingangsfrage (bringt vertikaler Versatz mehr Wirkungsgrad?) noch anmerken.

Das ist in der Tat unter ganz gewissen Umständen der Fall, und zwar

-hauptsächlich im reinen Schwebeflug
-nur wenn die Blattebenen deutlich (d.h. >3% Rotordurchmesser) außeinander liegen.

Auf den ersten Blick ist das nicht ganz einleuchtend, und es hat auch nichts damit zu tun dass sich die Blattspitzenwirbel gegenseitig weniger stark beeinflussen wie Patrick vermutet.
Die Ursache ist folgende:

Die obere Rotorebene erzeugt eine Stromröhre, welche unterhalb des Rotors kontrahiert. Die unten liegende Rotorebene profitiert von der Injektorwirkung, ihre Stromröhre fällt deshalb im Ansaugbereich etwas größer aus. Der effekt ist derselbe, als hätte man einen geringfügig größeren Rotordurchmesser. Damit spart man sich Downwashgeschwindigkeit und somit auch erforderliche induzierte Leistung bei gleichem Schub.
Der Effekt wurde seinerzeit von den Russen mit ihren Koaxhubschraubern gefunden, verstanden und dokumentiert; das Prinzip gilt aber auch für gleichdrehende Rotoren.
Ich habs mal hier in ein (deutlich übertrieben dargestelltes) Bild gepackt.
Allerdings wirst du das bei ein paar mm tieferlegung nicht merken, die von Jack beschriebenen Effekte dominieren bei Weitem.
gruß
andi
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Husi
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#4 Re: Versetzte Rotorebenen

Beitrag von Husi »

stubb0rn hat geschrieben:Mein Gedankengang war, dass so Verwirbelungen an den Blattspitzen mehr Platz haben sich aufzulösen und das folgende Rotorblatt nicht in den Turbulenzen am rühren ist.
Moin Patrick,

überleg dir doch mal folgendes (Im Schwebeflug):
1.) Wie schnell bewegt sich die Luft nach unten? -> Strahltheorie / Impulssatz
2.) Wie schnell dreht sich der Rotor? Also wie viel Zeit vergeht, bis das nächste Rotorblatt "da" ist? Also wie viel "Weg" hat der Wirbelzopf in dieser Zeit dann nach unten zurückgelegt?

Ich habe es nicht gerechnet, aber mein Bauchgefühl sagt mir, das bei sehr kleinem Rotordurchmesser (Propeller) die Vertikalgeschwindigkeit groß genug ist, damit das nachfolgende Blatt in "sauberer" als nachgeströmter Luft sich bewegen kann.
Bei unseren Hubschraubern setzen wir ja auch viel Luft, die wenig beschleunigt wird. Wie bei einem Segelflugzeug auch. Ich vermute die Energieeinsparung (durch den großen Rotordurchmesser) ist deutlich größer, also dem Wirbelzopf des vorrauseilenden Rotorblattes aus dem Weg zu gehen und die Vertikalgeschwindigkeit zu erhöhen...

für den Vorwärtsflug habe ich schöne Bilder im Web gefunden, die einem die Verhältnisse klar machen:
http://www.onera.fr/daap-en/helicopter- ... erical.php
dieses Bild meine ich...

@ Andi:
Danke wie immer, für die weiterführenden Gedanken... :thumbright:

edit: die Rechtschreibung mal wieder :D

Viele Grüße
Mirko
Zuletzt geändert von Husi am 06.06.2012 11:54:50, insgesamt 2-mal geändert.
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#5 Re: Versetzte Rotorebenen

Beitrag von acanthurus »

Was die Wirbelbeeinflussung angeht, man könnte im schlimmsten Fall sogar annehmen dass das Timing so dumm zusammenpasst dass die untere Blattebene den WIrbelkern der oberen mittig trifft, wohingegen beim "normalen" Rotor stets ein Abschwimmen schon passiert ist.
Man würde also ein 4x mäßiges Wirbelbegegnungsproblem umwandeln in 2x verschärft (für den utneren Rotor) und 2x entschärft (für den oberen).

P.S. ich hab vor langer Zeit mal ein Video gemacht, wo wir mal Blatztspitzenwirbel im Wasserkanal visualisiert haben. Mal schauen ob ichs finde. Besteht an sowas Interesse, dann würd ichs hochladen?

gruß
andi
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stubb0rn
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#6 Re: Versetzte Rotorebenen

Beitrag von stubb0rn »

Erstmal danke an euch alle für die Antworten.

Ich hab mir schon gedacht, dass das Ganze irgendwo nen Hacken hat, da es noch keiner im kommerziellen Bereich verwendet, aber lieber fragen als ne Idee umsonst verworfen.

@Sniping-Jack Bei meinem Heli geht es konkret um einen Koax in Anlehnung an den Sirkorsky Raider daher fällt der Teil mit dem Heckrotor aus, aber es ist auf jeden Fall interessant zu wissen.

@acanthurus Ich wäre dir sehr dankbar für das Video. Ich steh mit meinem Studium noch ganz am Anfang, daher fehlt mir das nötige Fachwissen über Strömungsmechanik. Dein Video währe echt hilfreich.
Gruß
Patrick

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#7 Re: Versetzte Rotorebenen

Beitrag von Sniping-Jack »

P.S. ich hab vor langer Zeit mal ein Video gemacht, wo wir mal Blatztspitzenwirbel im Wasserkanal visualisiert haben. Mal schauen ob ichs finde. Besteht an sowas Interesse, dann würd ichs hochladen?
Schieb rübba! :)

Ich habe da auch eine (unbewiesene) Theorie, die Randwirbel betreffend:

- Randwirbel am Heli dürften nochmals verschäfter auftreten als bei der Fläche, da der Durchunterschied zwischen unten und Oberseite größer ist (im Verhältnis zur Flächentiefe)
- Randwirbel vereinigen sich unter bestimmten Umständen (Schwebeflug) oder verstärken sich gar (Vortexring), wenn der Heli senkrecht sinkt
- Der Effekt ist um so ausgeprägter, je größer die Kreisflächenbelastung ist
Grüße,
Jack
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#8 Re: Versetzte Rotorebenen

Beitrag von acanthurus »

Sniping-Jack hat geschrieben: Schieb rübba! :)
Okay, Video ist hochgeladen und wartet auf Freischaltung. Das wurde anno 2000 gemacht, allerdings mit einem starren Propeller. im Video sieht man bei einigen Aufnahmen die Blattspitzenwirbel, alelrdings jeweils nur von EINEM der beiden Blätter, da nur eines mit Bläschendraht bestückt war.

- Randwirbel am Heli dürften nochmals verschäfter auftreten als bei der Fläche, da der Durchunterschied zwischen unten und Oberseite größer ist (im Verhältnis zur Flächentiefe)
Kann man so nicht direkt sagen. Die Randwirbel sind ein direktes Maß für den Auftrieb. Da sie aber im SChwebefall nicht (bzw. nur durch den downwash selbst) wegtransportiert werden, fallen sie vor Ort zunächst mal stärker auf.
- Randwirbel vereinigen sich unter bestimmten Umständen (Schwebeflug) oder verstärken sich gar (Vortexring), wenn der Heli senkrecht sinkt
Recht schnell vereinigen sich die Wirbel eigentlich im Vorwärtsflug - und zwar zu einer Wirbelschleppe in Form eines doppelten gegenläufigen Wirbelzopfes wie bei einem Flächenflieger. Das von dir verlinkte Bild auf der Onera-Seite (Michel Costes und seine Mannen, laaaange ists her) zeigt genau, was ich damit meine. Die "querverbindungen" zwischen den Wirbelzöpfen hinter dem Rotor glätten sich relativ zügig in ein gleichmäßiges Abwindfeld, die Längszöpfe bleiben recht lange stabil. Mit dem Vortex Ring liegst du richtig, wobei der Wirbel da si groß wird und so weite Teile des Rotors beeinflusst dass man fast nicht mehr von einem Randwirbel sprechen kann.
Im normalen Schwebeflug ist die Wirbelschichtung der einzelnen Wirbel normalerweise relativ stabil. Das kommt auch in dem Video raus, wo die Wirbelkerne an die 2 rotordurchmesser nach unten sichtbar bleiben.
- Der Effekt ist um so ausgeprägter, je größer die Kreisflächenbelastung ist
Ja, das kommt hin. Je größer die Kreisflächenbelastung, desto höher die induzierte Geschwindigkeit (downwash). Ähnliches gilt ja auch für Flächenflieger. Und auch ein Analogon zur Streckung kann man sich dazudichten. Zwar ist die "Streckung" der Rotorkreisfläche unveränderlich, aber die Blätter selbst können breiter oder schlanker sein. Je schlanker, desto kompakter (und schnelldrehender) der Wirbelkern. Allerdings ist die Gesamtzirkulation innerhalb eines Randwirbels vereinfacht gesagt nur vom Schub, der Kreisfläche und der Anzahl der Blätter abhängig.
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#9 Re: Versetzte Rotorebenen

Beitrag von acanthurus »

So, hier isses nu RHF Videothek
Direktlink zur RHF-Videothek
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#10 Re: Versetzte Rotorebenen

Beitrag von Sniping-Jack »

Seeeehr interessant - fettes Danke dafür! :)
Damit sind die meisten meiner Theorien buchstäblich zerquirlt worden. :mrgreen:

Nachtrag: Das Bild hat Mirko verlinkt, nicht ich. :)
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#11 Re: Versetzte Rotorebenen

Beitrag von acanthurus »

Sniping-Jack hat geschrieben: Damit sind die meisten meiner Theorien buchstäblich zerquirlt worden. :mrgreen:
Finde ich nicht. ich denke, dein Rotorenweltbild ist ziemlich gut entwickelt.
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#12 Re: Versetzte Rotorebenen

Beitrag von Sniping-Jack »

Danke! :)
Aber an manchen Stellen ist es doch immer noch etwas....zerknittert. :oops:
Naja, dafür hat es dann noch die besten Entfaltungsmöglichkeiten. :mrgreen:
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