Zyklischer Pitch verdreht?

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timok
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#1 Zyklischer Pitch verdreht?

Beitrag von timok »

Moin,

Ich bin nun seit zwei Tagen am grübeln und irgendwie will es mir nicht in den Kopf.
Ich habe den Rotorkopf vom T-Rex auseinander gebaut und Kugellager sowie Kugelkopfpfannen gewechselt. Nach dem erneuten Zusammenbau habe ich nun das Gefühl, als ob die Rotorkopfanlenkung um 90° verdreht ist. Kontrolliert habe ich alles schon etliche Male anhand der Anleitung und Fotos von anderen Rotorköpfen.

Also:
* Nick nach vorn - Taumelscheibe kippt nach vorn - Rotorblätter haben aber zu den Seiten hin den zyklischen Ausschlag. Dabei hat das rechte Rotorblatt positiven und das linke negativen Pitch. Nach meiner Logik würde der Heli nun nach links fliegen.
* Nick nach hinten - Taumelscheibe kippt nach hinten - Rotorblätter haben nach links (positiv) und rechts (negativ) zyklischen Pitch
* Roll links - Taumelscheibe kippt nach links - Rotorblätter haben aber vorne (positiv) / hinten (negativ) zyklischen Pitch, zu den Seiten keinen Pitch
* Roll rechts - Taumelscheibe kippt nach rechts - Rotorblätter haben aber vorne (negativ) / hinten (positiv pitch) zyklischen Pitch, zu den Seiten keinen Pitch

Ist das normal und ich habe nur nen Knoten im Kopf oder kann ich doch irgendetwas bei der Anlenkung vertauscht haben? Ich habe mir auch Fotos anderer Rotorköpfe angeschaut und wenn ich da die Taumelscheibenbewegungen im Kopf nachvollziehe würde es das gleiche Verhalten wie bei mir zeigen, aber nach logischen Gesichtspunkten würde der Heli doch immer in eine andere Richtung fliegen als ich steuere?

Ich spiele schon mit dem Gedanken die ganze Rotorkopfmechanik raus zu schmeißen und auf Flybarless umzurüsten, aber das war eigentlich erst für nächsten Sommer geplant.

Viele Grüße,
Timo
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echo.zulu
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#2 Re: Zyklischer Pitch verdreht?

Beitrag von echo.zulu »

Nein, das ist völlig normal so. Am Rotorkopf wirkt sich die Kreiselpräzession aus. Das heißt, das eine Störung sich erst 90° später auswirkt. Kannst Du z.B. mit einem Kreisel ausprobieren. Wenn Du ihn in der Hand seitlich kippst, wird er in Nickrichtung ausweichen.
yogi149

#3 Re: Zyklischer Pitch verdreht?

Beitrag von yogi149 »

Hi Timo

aber nicht wundern, wenn es bei Flybarless genauso steuert.

Und Egbert, das hat doch nicht mit der Kreiselpräzession zu tun.

Das Blatt muss doch bei Nick nach vorne hinten oben sein, oder? Und wie kommt das dahin?
Indem es beim nach hinten laufen rauf gesteuert wird. Genau wie das vordere Blatt ja auch nach unten gesteuert wird.
Jeweils hinten oder vorn darf das Blatt dann nur noch den jeweiligen Pitchwert haben (+- zyklisch).
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timok
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#4 Re: Zyklischer Pitch verdreht?

Beitrag von timok »

Was man nicht so alles lernt - aber genau deshalb ist dies Hobby ja so toll :idea:

Beim Suchen zu diesem Thema bin ich auf Individual Blade Control gestoßen - Servomotoren an jedem Blatt zur zyklischen Verstellung um die Taumelscheibe unnötig werden zu lassen: http://rotorcraft.arc.nasa.gov/research/ibc.html
Das wär doch mal was für unsere Modelle - vielleicht der neue Hype nach Flybarless? :-) Aber für unsere Drehzahlen sind wohl die meisten Servos zu langsam.
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crashmaster
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#5 Re: Zyklischer Pitch verdreht?

Beitrag von crashmaster »

Das ist ja wieder ein Thema, das mich nicht loslässt. Ich kann irgendwie nicht ruhig schlafen, wenn ich das Gefühl hab', mein Heli macht Dinge, die ich nicht verstehe... :?

Ich tendiere dazu, Egbert recht zu geben: Es muss an den Kreiselkräften liegen, und nicht an Trägheitseffekten, den anders lässt sich nicht erklären, dass es immer genau 90° sind, vom 250er bis zum 700er T-Rex, mit unterschiedlichsten Rotorblättern und Drehzahlen.
yogi149 hat geschrieben:Das Blatt muss doch bei Nick nach vorne hinten oben sein, oder?
Das ist doch dem Blatt egal, wo es ist, hauptsache es erzeugt Auftrieb in die richtige Richtung. Und der der entsteht nicht durch die Lage, sondern den Anstellwinkel.

Die Blätter erzeugen bei Nick nach vorn also wirklich eine Kraft, die die Rotorscheibe nach Links drückt (Roll), worauf die Rotorscheibe mit Nick nach vorn reagiert.

Kreisel sind mir unheimlich. Aber sie fliegen gut! :)

Gruß,
Claus
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crashmaster
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#6 Re: Zyklischer Pitch verdreht?

Beitrag von crashmaster »

Und dann gab's da noch das Argument der geneigten Rotorfläche (Schlüter).... Von der Seite betrachtet geht beim Nick nach vorn das Rotorblatt auf dern linken Seite runter und auf der rechten Seite rauf, während es vorne und hinten die Höhe hält, und dem entspricht auch der Anstellwinkel der Rotorblätter. Ich glaube, das war's, was yogi mit "Das Blatt muss doch bei Nick nach vorne hinten oben sein" meinte. Die geneigte Rotorfläche zieht dann den Heli (über die Kompfdämpfung) in die neue Lage. Wie auch immer, 90° gedreht ist beides. Ich glaub' mittlerweile, beide Effekte wirken, sie unterstützen sich, und ich kann wieder ruhig schlafen. :wink:

Gruß,
Claus
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Alex K.
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#7 Re: Zyklischer Pitch verdreht?

Beitrag von Alex K. »

Hi,

der Heli wird ja durch das Neigen der Rotorebene gesteuert. Steht die Ebene parallel zur Erdoberfläche (also senkrecht zur Gewichtskraft des Helis, siehe Bild 1 unten - der dicke Punkt ist der Schwerpunkt wo die Kräfte angreifen), ist der Heli in Ruhe, die Kräfte gleichen sich aus. Gibt man Nick nach vorne, neigt sich die Rotorebene nach vorne. Die Auftriebskraft Fa des Rotors wirkt nun schräg nach vorne, zerlegt man die Kraft nun in die Kraft welche die Gewichtskraft des Helis ausgleicht (Fa0 = -Fg, siehe Bild 2) und eine "Vorwärskraft" bewegt sich der Heli in die Richtung von Fv. Fa im Zustand des Vorwärtsfluges muss zwingenderweise etwas größer sein als Fa im Schwebezustand, deshalb muss man beim "nach vorne losfliegen" etwas mehr Pitch geben. Ist der Heli mal in Bewegung, wird das Blatt durch den "Fahrtwind" stärker angeströmt, wodurch es einen größeren Auftrieb erzeugt weshalb man nun Pitch zurücknehmen muss.

Die Bewegung der Rotorblätter muss man sich wie ein Tragflügel vorstellen. Stellt man den Tragflügel an, erzeugt er eine Auftriebskraft, somit wird er sich nach oben bewegen. Steuert man den Flügel wieder zurück in seine Neutralstellung, erzeugt er keine Kraft mehr nach oben und bleibt er in seiner soeben erreichten Höhe. Stellt man ihn negativ an, geht es wieder abwärts.

Spielen wir mal eine Rotorumdrehung bei Nick durch. Wir sitzen auf dem Rotorblatt und fangen in der Position an, wo der Rotor in Richtung Heck zeigt, das Blatt ist dabei in Neutralstellung. Der Rotor dreht sich nach vorne, wobei er sich langsam in Richtung negativ Pitch verstellt. Wie der Tragflügel eines Flugzeugs wird eine Kraft nach unten erzeugt, das Blatt geht nach unten. 90° später hat das Blatt seinen maximalen Anstellwinkel erreicht, hier geht es nun mit der größten Kraft und der größten Geschwindigkeit nach unten. Der Rotor dreht sich weiter, das Blatt wird wieder in Richtung Neutralstellung zurück ausgelenkt, die Abwärtsbewegung wird langsamer. Wir erreichen einen Winkel von 180°, das Blatt schaut nun nach vorne, der Anstellwinkel beträgt 0°, das Blatt geht nun weder hoch noch runter, es bleibt in seiner Neutrallage. Dreht sich der Rotor nun weiter, stellt sich das Blatt positiv an, es wird Auftrieb erzeugt, das Blatt geht nach oben um ganz hinten an dem Punkt, wo wir gestartet sind, wieder in Neutralstellung zu stehen wo kein Auftrieb mehr erzeugt wird. Durch diese Bewegungen wird sich die Rotorebene nach vorne neigen, der Korpus wird dieser Bewegung folgen und der Heli wird Fahrt aufnehmen.

Ich hoffe, man versteht was ich da geschrieben habe...

Gruß, Alex
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Bild 1; Schweben
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crashmaster
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#8 Re: Zyklischer Pitch verdreht?

Beitrag von crashmaster »

Jetzt geht's hier aber um zwei verschiedene Neigungen: Die Neigung der Rotorebene gegenüber dem Boden, die den Vortrieb erzeugt, und die Neigung der Rotorebene gebenüber die Rotorachse, die Nick- bzw. Roll-Drehmomente auf den Heli ausübt und dessen Lage ändert.. Im Vorwärtsflug muss ja gar kein Nick nach vorne mehr gegeben werden, der Heli wird weiter vorwärtsfliegen, auch wenn die Rotorebene schon wieder senkrecht zum Mast liegt.

Ich bin immer mehr davon überzeugt, dass die Kreiselkräfte eine starke Rolle spielen. Bei dem Trägsheitsmoment, das so ein Rotor aufbaut, müssen sie eine Rolle spielen, diese Kräfte lassen sich nicht wegdiskutieren. Ja, die Neigung der Rotorebene steuert den Heli, aber die Kreiselkräfte sind es, die die (90° gedrehte) Neigung der Rotorebene bewirken. Wäre dem nicht so, und würden diese Kräfte nicht Hand in Hand arbeiten, wie würde der Heli dann bei dem Versuch reagieren, einen Flip zu fliegen?

Gruß,
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Alex K.
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#9 Re: Zyklischer Pitch verdreht?

Beitrag von Alex K. »

Im ersten Moment neigt sich die Rotorebene, der Körper des Helis verharrt aufgrund seiner Massenträgheit in seiner Position. Je nachdem wie hart die Kopfdämpfung ist neigt die Rotorebene den Körper schneller oder langsamer, bis die Rotorebene wieder senkrecht zur Rotorachse steht.
Bei der Neigung der Ebene spielen mit Sicherheit beide Kräfte eine Rolle, sowohl die Aerodynamischen Kräfte der Rotorebene als auch die Kreiselpräzessionskraft. Es wirken jedoch beide Kräfte in die gewünschte Richtung, sodass sich z.B. bei Nick der Heli nach vorne neigt.

Gruß, Alex

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acanthurus
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#10 Re: Zyklischer Pitch verdreht?

Beitrag von acanthurus »

Hi..

Alex hat mich per PN gebeten, hier mal reinzuschaun und zur "Aufklärung" beizutragen - vermutlich weil er weiss, das ich mich wohl intensiver und länger als die meisten mit diesem Thema befasst habe.
Prinzipiell steht hier in diesem Thread schon sehr viel "richtiges".

Das Wort Kreiselpräzession ist gefallen, und das ist sicherlich ein richtiger Ansatzpunkt. Wenn ich ein Drehmoment auf einen Kreisel ausübe, d.h versuche, seine Kreiselachse zu kippen, dann wird die Reaktion des Kreisels nicht in der Richtung auftreten, in der ich ihn zu bewegen versuche, sondern genau SEITLICH dazu, im Idealfall 90° verschoben. Diesen Effekt nennt man wie erwähnt Präzession, er ist allen Kreiseln, auch unserem Hubschrauberrotor, gemein. Der Blatteinstellwinkel (meinetwegen für nen rechtsdrehenden Heli und Nickausschlag nach VORNE) muss deshalb am rücklaufenden Blatt (rechts) am größten sein. Es erzeugt dort kurzfristig die größten, auf der gegenüberliegenden Seite die kleinsten luftkräfte, insgesamt also ein Drehmoment auf den Rotor nach LINKS. Infolge der Präzession erfolgt aber die REAKTION des Rotors, d.h. das Neigen der Rotorkreisscheibe nach VORNE. Das lässt sich auch im Stand am Boden sehr gut beobachten.

Claus schreibt, er schiebt diese 90° zwischen Eingabe und Reaktion auf kreiselkräfte - genauer eben die Kreiselpräzession. Richtig. Es ist aber GENAUSO richtig, dass das durch TRÄGHEITSkräfte erzeugt wird. Ich möchte deshalb folgende Betrachtungsweise einführen, welche gleichwertig, für Detailbetrachtungen sogar besser geeignet ist als das Denken in Kreiseln. Kreisel sind irgendwie nicht intuitiv in ihrem Verhalten.
Wir betrachten das ganze mal aus Sicht des drehenden Rotorblattes, setzen uns also auf den Rotormast und rotieren mit.
Jetzt haben wir zunächst mal eine starke Fliehkraft nach außen - viiiiiel Stärker als der Auftrieb, den das Blatt bringt. Das Blatt zieht´s also nach aussen. Wenn wir es jetzt (irgendwie) nach oben bzw. unten auslenken könnten (das nennt man die SCHLAGbewegung), dann will das Blatt zurück in die Horizontale. Es würde um die Nullage herum eine Schwingung durchführen, ähnlich wie ein hängendes Pendel, nur mit sehr viel stärkerer Dämpfung. Man kann jetzt rechnerisch nachweisen, dass die EIGENfrequenz dieser Pendelbewegung unter gewissen Umständen (komme ich nachher noch drauf) GLEICH ist wie die Drehfrequenz (Drehzahl) des Rotors. Dieser Nachweis ist etwas aufwendig, deshalb spar ich mir das, aber ihr glaubt mir das bestimmt :oops:
Ok, wir haben also ein schwingendes System, welches in seiner Eigenfrequenz schwingt. Das nennt man deshalb einen Resonanzrotor.
unsere zyklische Blattverstellung agiert jetzt (im mitdrehenden bezugssystem) als eine wechselnde Auf- und Abwärts-Anregung, welche ebenfalls mit genau der Drehfrequenz des Rotors erfolgt. Jeder, der sich mal mit schwingungsfähigen Systemen befasst hat weiss, dass bei Anregung eines Schwingers mit seiner Resonanzfrequenz zwischen AnregungsKRAFT und AuslenkungsAMPLITUDE eine Phasenverschiebung von 90° besteht. Das lässt sich rechnerisch schon einfacher beweisen als der o.g. Zusammenhang, aber auch DAS spar ich mir. Jedenfalls Schubladendenken: Anregung kommt 90° VOR der Reaktion, und zwar infolge der TRÄGHEITSkräfte des massebehafteten auf und ab schlagenden Blattes. Genau DA sind die von Claus verneinten Trägheitskräfte!
Dieses Prinzip gilt für ALLE linearen Schwinger (Feder-masse, Pendel bei kleinen Auslenkungen, aber auch elektrische Schwingkreise...)
Eine periodische Schlagbewegungs-Schwingung des Rotorblattes vom mitdrehenden Beobachter aus gesehen sieht aber von AUSSEN (pilotenstandort) aus wie eine gleichmässige Neigung der Blattspitzenebene.
Wir haben also ein- und denselben Effekt einmal per Kreiselpräzession und einmal per Pendelschwingung erklärt.
Warum aber bevorzuge ich die Version mit dem Pendel? Ganz einfach: man liest sehr viel über "virtuelle Taumelscheibenverdrehung" etc. Es gibt also Fälle, in denen die Reaktion des Rotors NICHT exakt 90° später erfolgt, sondern anders (früher... Taumelscheiben müssen ggf. immer so verdreht werden, dass der Winkel zwischen Anregung und Schlagreaktion KLEINER aöls 90% wird.)
Warum ist das so? Die Resonanz (schlag-Eigenfrequenz=Drehfrequenz) gilt NUR dann, wenn
a) das Rotorblatt am Rotormast FREI SCHLAGEND, ohne die Federwirkung eines "Dämpfergummis" angebracht wird
b) die effektive Achse, um die das Blatt schlägt, GENAU auf der Rotorachse liegt. Das nennt man "Schlaggelenksabstand Null" im Fachjargon
c) der Rotor keinen Konuswinkel hat, d.h. der Schub gegenüber den Fliehkräften vernachlässigt werden kann (das ist bei "uns" kein Problem, bei den echten Helis aber schon)
Punkte a) und b) führen dazu, dass die Schlageigenfrequenz GRÖSSER wird als die Drehfrequenz, der rotor also sub-resonant angeregt wird und damit auch einen KLEINEREN Phasenwinkel als 90° zwischen Einstellwinkeländerung und SChlagreaktion hat.
Punkt a) ist somit bei uns definitiv sehr wichtig. Das bedeutet nämlich, je härter die Gummis, desto größer muss evtl. unsere virtuelle Taumelscheibenverdrehung werden, damit das alles passt.
Punkt b) kommt bei sehr weichen Rotorblättern zum Tragen (der "effektive" Schlaggelenksabstand ist größer Null), oder wenn wir ein weiter außen liegendes Schlaggelenk haben anstatt der traditionellen, durchgehenden Blattlagerwelle.

Warum aber lieber Pendel als Präzession in der Denklogik?
-Ich habe bei der Präzession mehr Schwierigkeiten mir zu merken in welcher Richtung die Phasenlage von 90° auftritt.. Das Trägheitsargument der Pendelbewegung m,acht mirs da leichter - die Reaktion kommt NACH der Anregung
-Ich kann auch Phasenwinkel kleiner 90° damit erklären - geht zwar auch bei Präzession, aber dann wirds noch un-intuitiver

Damit haben wir also den Zusammenhang zwischen zyklischer Steuerung und der Neige-Reaktion der gesamten Blattspitzenebene auf zwei verschiedene Weisen (Präzession und Pendelprinzip) beschrieben. Ok. Was macht da der Gesamthubschrauber draus?
Da hat Schlüter weitgehend recht mit der Betrachtung, dass der resultierende Schub senkrecht auf der (geneigten) Blattspitzenebene steht (gilt zwar nur fürs Schweben, aber das soll uns mal zunächst genügen)

Es gibt zwei Mechanismen, wie sich das auswirkt:
1. Die STEIFIGKEIT des Blattanschlusses. je härter die Kopfgummis, umso mehr freies Nick-Drehmoment üben die unterschiedlichen Kräfte der schlagenden Rotorblätter auf den Rotorkopf aus. Es ist deshalb schlicht FALSCH, die Kopfgummis als "Dämpfungsgummis" zu bezeichnen - sie sind schlichtweg FEDERN - wir wollen sie maßgeblich für die Federwirkung, nicht für ihre dämpfende Wirkung!Ich habs aber inzwischen aufgegeben, diesen Nomenklaturfehler aus den Köpfen der Leute wegpredigen zu wollen.
2. Der Schubvektor kreift OBERHALB des Hubschrauberschwerpunktes an. Wird er geneigt, so ergibt sich ein Drehmoment, welches die Nase nach unten drückt.
Das führt zu interessanten Ergebnissen:
Der Anteil 2 hängt sehr stark vom Rotorschub ab! Und sein Vorzeichen kehrt sich im Rückenflug um! Damit allein könnten wir also keinen kunstflugtauglichen Heli steuern. bei manchen "großen" Hubschraubern gibt es aber NUR diesen Anteil, da die Blätter MITTIG und FREI SCHLAGEND am Rotormast angebracht sind (JetRanger und Co). Die sind also NIIIIIIIMALS rückenflugtauglich, da in Rückenlage vollständige Steuerumkehr erfolgen würde
Anteil 1 hat KEINE Vorzeichenumkehr, hängt fast nicht vom Schub ab und ist bei "uns" sehr stark dominant. Er macht gut 90% der Steuerwirkung im Schwebeflug aus. Das bedeutet aber umgekehrt, dass wir im normalen Schwebeflug 90% (Anteil1)+10%(Anteil 2)=100% haben, im RÜCKENSCHWEBEN aber 90% (Anteil1)-10%(Anteil 2)=80% Steuerwirkung. Das ist im Übrigen EINER der Gründe, warum manche Leute das Gefühl haben, ihr Heli schwebe auf dem Rücken stabiler als in Normallage... man hat nur 80% Steuerwirkung und muss entsprechend mehr ausschlag geben, um die "stabilität" zu überwinden.

So, ich hoffe, ich hab euch damit nicht völlig erschlagen. Ich neige mit solchen Postings dazu, ein Threadkiller zu sein :oops: weil danach irgendwie keiner mehr was schreibt. Gerne gehe ich auf Details näher ein, also bitteschön!

gruß

andi
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#11 Re: Zyklischer Pitch verdreht?

Beitrag von chris.jan »

Also die Erklärung mit dem Kreisel ist ganz nett, aber hat so rein gar nix mit der zyklischen Steuerung zu tun.

Denn die Rotorkreis"fläche" muss nach vorne gekippt werden.

Am besten geht das an Beispiel eines 4er Rotors:
Setzt man den kollektiven Pitch auf vielleicht 6°, dann haben alle Rotorblätter ohne Kippen diese 6°. Logisch.
Wenn ich jetzt Nick nach vorne gebe, und zwar 3°, dann kann ich die Blätter vorne und hinten nicht neigen,
die bleiben also bei ihren 6°. Aber links und rechts kommen 3° nach vorne, also links negativ und rechts positiv,
also links auf 3° pitch, rechts auf 9° pitch - sieht aus als wäre der Auftrieb nun rechts erhöht worden :idea:

So hat's Schlüter auch erklärt und der muß es ja wissen.
Gruß Chris

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timok
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#12 Re: Zyklischer Pitch verdreht?

Beitrag von timok »

Das muss ich mir heut Abend noch einmal in Ruhe zu Gemüte führen, aber vielen Dank schon mal für die sehr ausführliche Erklärung :-)

Beim Schnellen überlesen klingen für mich die Pendelnden Rotorblätter auch nachvollziehbar, da dadurch ein reaktionsschnelles "Kippen" (mit der 90° Phasenverschiebung) der Rotorebene erfolgt und der Schub den Heli damit nach vorn treibt.

Stimmt es dann ganz grob, wenn ich die Behauptung aufstelle (nur für mein Verständnis):
Härtere Dämpfungs- bzw. Federgummis für höhere Drehzahlen sorgen dafür, dass die grobe 90° Phasenverschiebung beibehalten wird (die Blätter müssen ja in kürzerer Zeit "zurückpendeln"), da durch weichere Gummis die Phasenverschiebung zu groß wird und der Hubschrauber die Steuerbefehle nicht mehr sauber vollzieht, was man wieder durch virtuelle Taumelscheibendrehung feinjustieren kann?

Grüße,
Timo
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#13 Re: Zyklischer Pitch verdreht?

Beitrag von echo.zulu »

Hallo Andi.
Auch von mir ein herzliches Dankeschön für Deine Erklärung. Nur mal für mich zur Klarstellung:

Wenn ich das alles richtig verstanden habe, so kann ich mir mit der Herleitung der Pendelschwingung auch die Kreiselpräzession erklären. Ich stelle mir einfach den Kreisel mal als weit von der Drehachse liegende Massepunkte vor und wenn ich diese Massepunkte durch eine Störung neige, so vollführen diese Massepunkte auch die von Dir beschriebene Pendelschwingung. Als Resultat habe ich wieder das Verhalten der Kreiselpräzession, die ich ja ganz im Anfang als Erklärung für das Steuerverhalten des Rotors angegeben habe. So gesehen beschreiben sowohl die Kreiselpräzession wie auch die Pendelschwingung ein und dasselbe physikalische Phänomen.

Bitte um kurze Aufklärung.
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acanthurus
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#14 Re: Zyklischer Pitch verdreht?

Beitrag von acanthurus »

@Timo:
Nein, das stimmt so nicht.
Die Schlageigenfrequenz (das "pendeln") passt sich quasi automatisch der Drehzahl an, da die Fliehkräfte mit der Drehzahl zunehmen. Das wäre, also würdest du beim normalen Pendeln die Erdbeschleunigung erhöhen, ohne die Trägheit (Masse des Pendels) zu erhöhen. Deshalb ist das Verhältnis von Drehzahl und Schlageigenfrequenz einigermaßen drehzahlunabhängig. Der größtmögliche Phasenwinkel ist 90°. Er entsteht bei "unendlich weichen" Gummis und wenn die Schlag-Achse auf der Rotorachse liegt. Alles was härter ist VERKLEINERT den Phasenwinkel.
Was sich allerdings bei steigender Drehzahl bemerkbar macht: Das Verhältnis von "Kräften aus dem Gummi" zu "Kräften aus der Fliehkraft" verschiebt sich zu Gunsten der Fliehkraft, so dass der Gummi relativ zur Fliehkraft weicher erscheint. Deshalb muss man, um den Phasenwinkel beizubehalten, den Gummi härter wählen, um den gleichen Phasenwinkel zu haben, oder aber alternativ die Phasen ändern (virtuelle Taumelscheibenverdrehung VERKLEINERN)

@Egbert:
Richtig. Es sit ein- und dieselbe physikalische Sache, nur einmal eben vom mitdrehenden beobachter formuliert und einmal vom außenstehenden Beobachter aus gesehen. Mit einer geeigneten Transformation zwischen beiden Bezugssystemen lassen sich die Grundgleichungen problemlos ineinander überführen
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#15 Re: Zyklischer Pitch verdreht?

Beitrag von chris.jan »

Irgendwie reden hier alle an der Ausgangsfrage, nämlich der zyklischen Pitch-Ansteuerung, die "scheinbar" um 90° verdreht ist vollkommen vorbei. Them verfehlt, 6, setzen :P
ich verlinke jetzt mal direkt auf Dieter Schlüters Seite, wo er das in kurzen Worten nochmal richtig stellt.
Gruß Chris

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