grundlegende Fragen zum Thema "Strom"

Antworten
Benutzeravatar
Husi
Beiträge: 2808
Registriert: 19.03.2007 20:06:17
Wohnort: Darmstadt
Kontaktdaten:

#1 grundlegende Fragen zum Thema "Strom"

Beitrag von Husi »

Ich habe da mal ein paar Fragen an die Elektriker, oder an diejenigen, die sich mit Strom und dessen Vorlieben auskennen.


Wenn Strom durch einen Leiter fließt, fließt er wie Wasser (in einem komplett gefüllten Rohr ohne Wandreibung), oder nur auf der Oberfläche des Kabels?
Mir geht es darum, ob der komplette Querschnitt vom Strom genutzt wird. Dann ist die Runde Form unserer Kabel OK bis eigentlich egal...
Wenn der Strom jedoch nur auf der Oberfläche des Kabels fließen würde, wäre aus der Sicht minimales Gewicht, für maximalen Erfolg ein Rohr das Gelbe vom Ei.
Hier ein Bild mit beiden Extremen:
Stromkabel_Nahaufnahme.jpg
Stromkabel_Nahaufnahme.jpg (64.04 KiB) 1605 mal betrachtet
Wenn wir schon einmal dabei sind. Bringt ein hochflexibles Kupfer Kabel (außer Biegsamkeit) einen weiteren Mehrwert, gegenüber einem massiven Kupfer Kabel wie wir es von der 230 Volt Unterputzverkabelung her kennen?
Meine Überlegungen gehen hierbei von der These aus, das bei nur einem massiven Metallleiter der Strom nicht ständig, wie bei den vielen dünnen Kabel über kleine Kontaktstellen von dem einen dünnen Äderchen ins nächste Äderchen fließen muss. Dabei sollte der ges. Widerstand (unter den Annahme der Strom fließt im kompletten Metallquerschnitt und somit auch gleich großen Querschnitten) bei einem massiven Leiter geringer sein, als bei einer Leitung, die (wie auf dem Bild zu sehen) aus vielen kleinen Teilquerschnitten besteht. Oder?

Warum komme ich auf diese Gedanken?
Es gibt den Faradayschen Käfig, in dem bekanntermaßen kein Strom fließt, wenn auf einer Seite ein Blitz einschlägt und auf der anderen Seite abgeleitet wird. Somit ist für den Fall Blitzschutz das Innere des Leiters (hier der Faradaysche Käfig als ein Teil davon) ohne Strom...

Wenn man nur eine Ladung betrachtet (also viele Elektronen auf einem Haufen, ohne eine gleichförmige "Fließrichtung"), kann ich mir vorstellen, dass die Elektronen sich gegenseitig abstoßen und somit die Ladung nur auf der Außenfläche nachzuweisen ist.
Aber wie verhält es sich, wenn Strom fließt? Haben dann die Elektronen immer noch "genügend Zeit" sich gegenseitig abzustoßen und nur auf der Außenfläche des Leiters zu fließen?

Bringt bitte etwas Licht in das Dunkel...

Vielen Dank
Mirko
Bild Bild Bild Bild
Benutzeravatar
acanthurus
Beiträge: 3348
Registriert: 21.10.2008 08:39:59
Wohnort: Kreis Ludwigsburg

#2 Re: grundlegende Fragen zum Thema "Strom"

Beitrag von acanthurus »

Hi..

bei den antriebstechnisch üblichen Anwendungen (quasi-Gleichstrom oder mit nur ein paar kHz PWM) fließt der Strom durch den gesamten Querschnitt.
Wenn wir allerdings hochfrequente Wechselströme anschauen, dann ändert sich das. Die Stromdichte steigt zum Rand hin (also genau umgekehrt wie bei deiner Rohrleitungs-Analogie), und hängt dann auch ab von der "Glätte" des Leiters - der Voll-Leiter hat dann ggf. Vorteile gegenüber der Litze.
Das wird Skin-Effekt genannt, guggsdu http://de.wikipedia.org/wiki/Skin-Effekt und ist nicht mal eben in zwei Sätzen erklärt.

Allerdings ist dennoch eine astreine querschnittsflächen-Skalierbarkeit speziell bei hohen Stromdichten NICHT gegeben. Dort kommt dann der Effekt dazu, dass mit zunehmendem Durchmesser die querschnitts Fläche quadratisch steigt, die für die Kühlung verantwortliche OBERfläche des Leiters aber nur linear. D.h. der dicke Leiter wird bei hoher Stromdichte schlechter gekühlt als ein dünnerer Leiter mit gleicher Stromdichte. Der Dicke erreicht eine höhere Temperatur und damit (bei Kupfer oder anderen PTC-Materialien) den höheren Widerstand.
Dort ist dann auch die Litze aufgrund der größeren Oberfläche günstiger als der massive Draht.

gruß
andi
I told my mom when I grow up I want to be an Engineer, she told me I can't do both!
Benutzeravatar
jlu
Beiträge: 48
Registriert: 28.02.2011 18:47:44
Wohnort: Kiel, Schleswig-Holstein, Germany

#3 Re: grundlegende Fragen zum Thema "Strom"

Beitrag von jlu »

Der Skin-Effekt ist schon erklärt, hier noch etwas zur Litze:

Die flexible feindrähtige Litze ist in mobilen Anwendungen notwendig, um Kabelbrüche zu vermeiden. Auf die elektrischen Eigenschaften hat das keinen sonstigen Einfluss. Es gibt für Hochfrequenzanwendungen spezielle HF-Litze mit einzeln isolierten Drähten. Dies vermeidet verlustbringende Wirbelströme. Das ist aber im Modellflug ebenfalls nicht relevant. Preiswerte Brushlessmotoren werden zwar mit einzeln isolierten Litzenbündeln statt massiven Einzeladern gefertigt. Das soll nur die Fertigung vereinfachen und nicht Wirbelströme vermeiden.
HM 4G1, T-REX 250 SE, T-REX 450 Sport, TDR, Mini CP
Benutzeravatar
Crizz
Beiträge: 27061
Registriert: 12.04.2007 17:44:22
Wohnort: Haiger
Kontaktdaten:

#4 Re: grundlegende Fragen zum Thema "Strom"

Beitrag von Crizz »

So, ist schon alles zu gesagt. Zusammenfassend : alles was unter Kurzwellenbereich liegt ist absolut unkritisch und der Leiterquerschnitt wird vol zu Leistungsübertragung verwendet, erst im UHF-Bereich wird es mit der Oberflächenleitung interessant - da kommt der Effekt zum tragen das sich gleichpolige Ladungsträger Abstoßen und somit nach außen zum "Mantel" drängen. Richtig zum tragen kommt das erst im Mikrowellenbereich, weshalb z.b. Radar-Anlagen mit Hohlleitern verkabelt sind, deren innenliegende Oberfläche zumeist vergoldet ist aus Gründen der Korossionsschutzes. Diese Schicht liegt aber nur µm-dick auf, direkt darunter befinden sich deutlich leitfähigere Materialien, meist abstrakte Legierungen um Brüche in den Biegeradien zu vermeiden.

Und um die aufgrund des verfügbaren Leiterquerschnittes erhöhten Verlustleistungs-Erwärmung entgegenzuwirken sind diese Hohlleiter i.d.r. mit Flüssig-Stickstoff befüllt.
Übrigens ist der wirksame Widerstand dann auch von anderen Faktoren abhängig als der rein ohmsche Widerstand des Materials. Aber das würde zu weit führen an dieser Stelle
( hab 4 Jahre bei in der ELO-Inst (BW) Feuerleitradar betreut, da kommt o.g. Verfahrensweise zum Einsatz, und da werden einige kW auf die Antenne übertragen - reicht zum Hähndl-grillen...)

Von daher : was im Modellbaubereich an Strömen fliest, profitiert durch feinstdrahtige Einzelleiter in einer Litze, damit der Füllgrad des Querschnittes möglichst hoch ist - denn der ganze Querschnitt und verbundene Gesamtwiderstand fließt ein.
_________________________________________________________________________________
"Leben ist das, was passiert, während du etwas ganz anderes planst" ... ( John Lennon )

! REVOLECTRIX-Distributor ! -> Ladeequipment / Akkus : -> HaDi-RC.de

Alle Projektberichte für den VTH-Verlag als PDF zum Download unter http://www.CrizzD.de !
Benutzeravatar
acanthurus
Beiträge: 3348
Registriert: 21.10.2008 08:39:59
Wohnort: Kreis Ludwigsburg

#5 Re: grundlegende Fragen zum Thema "Strom"

Beitrag von acanthurus »

N´Abend
Ok, wenn wir da schon einen echten Auskenner haben... ich habe den Erklärungsversuch Skineffekt -> Abstoßung der Ladungsträger nicht verstanden. Das mag ja zu einer Konduktorkugel, einem Plattenkondensator o.Ä, in einem (statischen) elektrischen Feld passen, aber ich bekomme den Bogen partout nicht zu einer Freguenzabhängigkeit oder einer Stromleitung (abgegrenzt zur statischen Ladung) gespannt.
Provozierend gefragt: Hat das wirklich damit was zu tun oder ist es nur so ein zunächst schlüssig klingender, aber doch nicht wirklich sauberer Erklärungsansatz, wie man sie öfter mal antrifft? (z.B. Weglängentheorie in der Profilaerodynamik)
Die bei Wikipedia angeführte Erklärung basiert auf einer Wirbelstrom-Ursache, was für mich erst mal schlüssiger klingt als die Ladungsabstoßung.
gruß
andi
I told my mom when I grow up I want to be an Engineer, she told me I can't do both!
Benutzeravatar
Crizz
Beiträge: 27061
Registriert: 12.04.2007 17:44:22
Wohnort: Haiger
Kontaktdaten:

#6 Re: grundlegende Fragen zum Thema "Strom"

Beitrag von Crizz »

Die Ladungsabstoßung sind Sekundäreffekt, die dem Laien aber eher erklärbar sind wie die Effekte der Wirbelstromverluste durch Querschnitssdimensionierungen und Atomarer Strukturen und -Bindungen - weshalb ich noch den Hinweis aus die teils merkwürdigen Legierungen angemerkt habe, die in dem Bereich Verwendung finden. Da geht es aber wie gesagt was den Frequenzbereich angeht weit über den Hobbybereich hinaus. Die Frequenzabhängigkeit wird dabei durch die Gitterstruktur der Legierung beeinflußt, d.h. die Bewegungsfähigkeit der freien Elektronen im Gitter der Legierung. Dir wird es ohne weiteres bekannt sein, das diese im PSE mit dem Atomgewicht einhergehend beziffert wird, aber für den normal sterblichen, der Chemie nicht als Leistungskurs hatte und dem die Ausbildung in HF-Technik fehlt wird das nicht nachvollziehbar sein. Da sind die sekundären Effekte plastischer erklärbar, auch wenn diese mit steigener Frequenz einen immer marginaleren Anteil haben.

Das ganze könnte man nun weiterspinnen und versuchen zu erklären, bis man an der Raumkrümmung angelangt ist - es ist einfach ein komplexes Thema, und deshalb ist dieses auch nicht mit linearer Algebra berechenbar, sondern nur durch komplexe Rechnung - und wenn ich ehrlich bin weiß ich nicht mit Sicherheit, ob ich heute das noch für einen 100 GHz Transmitter mit Hohlleitertechnik hinbekommen würde, ich hatte das letzte mal vor über 20 Jahren damit zu tun...
_________________________________________________________________________________
"Leben ist das, was passiert, während du etwas ganz anderes planst" ... ( John Lennon )

! REVOLECTRIX-Distributor ! -> Ladeequipment / Akkus : -> HaDi-RC.de

Alle Projektberichte für den VTH-Verlag als PDF zum Download unter http://www.CrizzD.de !
Benutzeravatar
acanthurus
Beiträge: 3348
Registriert: 21.10.2008 08:39:59
Wohnort: Kreis Ludwigsburg

#7 Re: grundlegende Fragen zum Thema "Strom"

Beitrag von acanthurus »

Ok, dann ist es grob so, wie ich es mir dachte... das Weltbild ist intakt.
Leider fehlt mir sowohl HF-Technik-Ausbildung als auch Chemie-Leistungskurs :oops: das ändert aber nichts dran dass ich deutlich lieber ein etwas komplizierteres Grundmodell habe als ein leicht verständliches, welches aber schon auf den zweiten Blick aushebelbar ist.
Ich mache mir dann ein mentales Modell analog zur (mechanischen) Oberflächenspannung in Flüssigkeiten. An der Oberfläche können sich die Wirbelströme (infolge des fehlenden Materials jenseits der Wand) nicht so ausbilden wie im inneren, weshalb kleinere ohm´sche Verluste auftreten. Auch nur 25% der Wahrheit, aber dafür habe ich schon eine passende Schublade.
Ich hab diesbezüglich ein paar mentale Baustellen (Hall-Effekt im P-Halbleiter usw.), welche irgendwann mal geschlossen werden oder der Demenz zum Opfer fallen.

gruß und danke
andi
I told my mom when I grow up I want to be an Engineer, she told me I can't do both!
Antworten

Zurück zu „Sonstiges“