Schwenkt das voreilende Blatt nach vorne oder hinten?

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chefche
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#1 Schwenkt das voreilende Blatt nach vorne oder hinten?

Beitrag von chefche »

Hallo,

schwenkt das voreilende Rotorblatt
a) wie in den meisten Quellen behauptet wegen der Schlagbewegung und der durch die Drehimpulserhaltung vergrößerte Winkelgeschwindigkeit nach vorne
oder
b) wie bei wikipedia behauptet durch den erhöhten Luftwiderstand nach hinten?

Viele Grüße, Th.
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Crizz
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#2 Re: Schwenkt das voreilende Blatt nach vorne oder hinten?

Beitrag von Crizz »

Bei Blättern mit Vorlauf, mit Nachlauf oder Neutralen ?
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Ladidadi
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#3 Re: Schwenkt das voreilende Blatt nach vorne oder hinten?

Beitrag von Ladidadi »

Das voreilende Blatt schwenkt nach vorn wegen der Schwerpunktverlagerung.

Bei der Bewegung des Blattes nach oben kommt der Schwerpunkt vom Blatt näher zur Drehachse und wird somit beschleunigt.

Kennt man vom Spielplatz mit der Drehscheibe.Lehnt man sich weiter nach aussen wird es langsamer.
Gruss Daniel

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vortex
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#4 Re: Schwenkt das voreilende Blatt nach vorne oder hinten?

Beitrag von vortex »

Hallo,

Daniel hat Recht.
Die dazugehörige Kraft wird Corioliskraft genannt.
Wären die Luftkräfte wirklich so groß, würden sie auch eine höhere Dämpfung der Schwenkbewegung bewirken (wie bei der Schlagbewegung) und es müßten nicht so große Anstrengungen (beim Originalhubi) unternommen werden, um eben diese Bewegung zu dämpfen...

Gruß Klaus.
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acanthurus
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#5 Re: Schwenkt das voreilende Blatt nach vorne oder hinten?

Beitrag von acanthurus »

Hi..

ich wurde per PN um Stellungnahme gebeten - also beschwert euch nicht ;) über zu viel Theorie.

Zunächst muss man mal unterscheiden zwischen mittlerem Schwenkwinkel und zeitlich veränderlichem Schwenken.
Der mittlere Schwenkwinkel, also die Mittellage, um welche die Schwenkbewegung stattfindet, entsteht infolge des Gleichgewichts aus Luftwiderstand und Fliehkräften - als resultierende nach außen. Wenn der Blattschwerpunkt in Tiefenrichtung nicht auf der Verlängerung der fiktiven Verbindungslinie zwischen Blattauge und Schwerpunkt parallel zur Blattachse liegt, dann muss man eben die Verbindugnslinie zum Schwerpunkt als Bezugslinie setzen.
Dieser mittlere SChwenkwinkel, der dann natürlich im Zusammenhang mit dem Begriff "Vorspur" zu nennen ist, ist eine entscheidende Größe, wenn es z.b. um die erforderliche Haltekraft eines Pitchservos geht.

Viel interessanter, aber ungleich schwieriger zu verstehen ist der zeitlich veränderliche SChwenkwinkel.
Dessen Verlaufg lässt sich nicht allgemeingültig angeben, da kommen einige Faktoren zusammen - ein entscheidender ist, so komisch das klingen mag, der Konuswinkel (also die "V-Form" des Rotors)

Zunächst muss man sich mal überlegen, woher die Schwenkbewegung überhaupt kommt. Sie kommt aus der Veränderung der Lage des Rotorblattschwerpunktes, wenn das Rotorblatt schlägt. Schlägt es nach oben, so verringert sich der Abstand des Schwerpunktes von der Rotorachse. Wenn sich aber bei einem rotierenden Körper der Schwerpunkt ändert, so treten (neben anderen Sauereien) auch Coriolisbeschleunigungen auf (der Begriff viel ja schon). Dort, wo die VeeränderungsGESCHINDIGKEIT des Schwerpunktes am größten ist, tritt auch die größte (Coriolis)beschleunigung des Schwerpunktes auf.
Jetzt kommt aber eine entscheidende Schwerigkeit dazu: Wenn ein Rotorblatt um eine horizontale Mittellage pendelt (kein Konuswinkel / "V-Form" ), so wird auch beim nach UNTEN schlagenden Blatt der SChwerpunktsabstand kleiner und wir erhalten eine (voreilende) Coriolisbeschleunigung. Das bedeutet, dass das Blatt während eines auf- und Abschlagens (also einer Umdrehung) nicht ein mal, sondern ZWEI mal voreilend beschleunigt wird. Wir haben also einen Schwenkwinkelverlauf, der theoretisch mit der DOPPELTEN Frequenz der Schlagfrequenz verläuft. Gruselig, was? Aber es wird noch gruseliger. HJaben wir einen Rotor mit starkem Konuswinkel, so erfährt das nach OBEN schlagende Blatt eine verkleinerung seines SChwerpunktsabstandes, das nach unten schlagende eine VERGRÖSSERUNG - wenigstens bis zum Erreichen der Horizontalen. Dadurch ahben wir nur 1x pro Umlauf eine Beschleunigung, und die Schwenkbewegung hat auch nur 1 Maximum pro Umlauf.
Wir die Schlagbewegung größer, oder der Konuswinklel kleiner (mehr Drehzahl, schwerere Blätter o.Ä.), so tritt wieder die Form mit doppeltem Peak auf (die sog. 2/rev im Fachchinesisch)
In der PRAXIS haben wir meist eine Mischform aus beiden.

ich hab mal ein Beispiel angehängt, wie das bei einem Rotor mit reichlich Konuswinkel im Schweben aussieht.
Durchgezogene Linie ist der Einstellwinkelverlauf (nicht horizontal, da Trimmung erforderlich war). Dann mit der "berüchtigten" 90°-Phase dazu der Schlagverlauf (gestrichelt). Gepunktet der resultierende Schwenkwinkelverlauf.
Wir haben die 1/rev-Form, aber (fürs geübte Auge) mit einer überlagerten kleinen 2/rev.

Die Eingangsfrage ist damit aber noch nicht beantwortet: wo schwenkt das Blatt nach vorne, und wo nach hinten?
Das lässt sich leider auch nicht so einfach aus den gemachten Betrachtungen ableiten, da eine entscheidende Größe, die Schwenkeigenfrequenz des Rotors, eine große Unbekannte darstellt. Sie liegt oftmals bei etwa 0.3*Drehfrequenz, d.h. wir regen die Schwenkbewegung (zwischen 1 und 2 * Drehfrequenz) total überresonant an - und rechnen somit eher mit einer Phasenumkehr.
Mit anderen Worten: wir können zwar anhand von SChlagverlauf genau bestimmen, wo die größte Coriolisbeschleunigung auftritt, aber es wird schwierig, genau herauszufinden zu welchem zeitpunkt sie diese beschleunugung tatsächlich in Schwenkwinkel umgesetzt hat. Bei der Schlagbewegung ist das VIEL einfacher, da wir stets in der Nähe der Resonanz sind.

Im Beispielbild haben wir für den 1/rev-Anteil etwa eine Phase zwischen Schlagen und schwenken von 200° (schwenken nach hinten positiv)
Haben wir also eine 1/rev-Form, so würde der größte Schwenkwinkel nach HINTEN etwa 200 nach dem höchsten Schlagwinkel nach OBEN kommen - also irgendwo "vorne rechts" bei einem rechtsdreher. Bei einer 2/rev anregung (bei heutigen kampfdrehzahlen wahrscheinlicher) haben wir ein maximum der Schwenkbewegung nach hinten an den Stellen "vorne rechts" und "hinten links".

Es ist wirklich nicht ganz einfach, und schon gar nicht intuitiv. Bei derartigen Geschichten (kuriose Anregungsart auf 2 Teilfrequenzen, dazu deutlich ÜBER den Eigenresonanzen) ist jeder, der das intuitiv richtig macht, ein ANGEBER :D
Ich musste jedenfalls 4-5x genau nachdenken - mit Papiern und Bleistift und ohne Intuition.

gruß

Andi

P.S. sorry für den Overkill, aber ihr HATTET gefragt und die Antwort ist eben nicht banal.
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chefche
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#6 Re: Schwenkt das voreilende Blatt nach vorne oder hinten?

Beitrag von chefche »

Hallo Andi,

deine Antwort ist sehr kompetent und die Erklärung verständlich und gut durchdacht und unterscheidet sich damit positiv von den vielen ungerechtfertigten Vermutungen, die in diesem Forum mit der gleichen Überzeugung geäußert werden. Dafür schon mal vielen Dank.

Mir ist klar geworden, dass ich die Frage falsch formuliert habe. Sie sollte besser heißen: Was ist die Ursache für das Schwenken?
a) Die Drehimpulserhaltung (oder Coriolis-Kraft) oder
b) der erhöhte Luftwiderstand auf der voreilenden Seite.
Grund dafür ist, dass es sehr viele Quellen gibt, die Antwort a) nennen. Einzig wikipedia nennt b) als Ursache. In der zugehörigen Diskussion ist allerdings eine Abschätzung der Auswirkung des Schlagens auf das Trägheitsmoment des Rotorblattes nachzulesen, die a) im Vergleich zu b) als vernachlässigbar klassifiziert. Diese kann ich erst mal nicht widerlegen.

P.S.: Aus welcher Veröffentlichung stammt denn dein Diagramm?

Vielen Dank und Grüße, Th.
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acanthurus
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#7 Re: Schwenkt das voreilende Blatt nach vorne oder hinten?

Beitrag von acanthurus »

Hi..

Na ja beides ist wie beschrieben richtig - das eine für die "mittlere" Lage, das andere für das Geschwenke um diese Mittellage.
Den Wikipedia-Artikel habe ich jetzt noch nicht gelesen (habe da ein paar andere Printquellen zur Verfügung).
P.S.: Aus welcher Veröffentlichung stammt denn dein Diagramm?
Das Diagramm stammt von hier :oops:
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Ladidadi
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#8 Re: Schwenkt das voreilende Blatt nach vorne oder hinten?

Beitrag von Ladidadi »

chefche hat geschrieben:deine Antwort ist sehr kompetent und die Erklärung verständlich und gut durchdacht und unterscheidet sich damit positiv von den vielen ungerechtfertigten Vermutungen, die in diesem Forum mit der gleichen Überzeugung geäußert werden. Dafür schon mal vielen Dank.

Ich weis jetzt nicht ob ich den oben genannten Satz auf mich beziehen muss aber wenn es der Fall ist haben wohl meine Lehrer die mich zum Lfz-Mechaniker ausgebildet haben etwas falsch gemacht.

Meine Antwort oben bezieht sich auf einfaches Grundwissen und nicht auf studiertes Fachwissen.

Desweiteren möchte ich anmerken das die Schwenkbewegung aufgrund der Drehimpulserhaltung wesentlich höher sind als entgegenwirkende Luftkräfte,daher sind sie eher zu vernachlässigen.
Gruss Daniel

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acanthurus
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#9 Re: Schwenkt das voreilende Blatt nach vorne oder hinten?

Beitrag von acanthurus »

Einspruch, Daniel ;)

Auch das ist wieder extrem Flugfall-abhängig und erfordert eine genaue Angabe dessen, was man eigentlich meint.
Wie man z.B. in dem beispiel-Diagramm sieht ist bei dieser Messung der mittlere Schwenkwinkel (infolge Luftkräfte) eeetwa 1.65°, während die Schwenkamplitude (Coriolis und co) nur für einen veränderlichen Schwenkwinkel von +-0.2° sorgt.
Bei den "großen", mit denen du dich befasst, sind allerdings ggf. bauliche Maßnahmen vorhanden, die die Problematik des mittleren Schwenkwinkels eliminieren - oder sogar die des Coriolis-Anteils. Schau dir mal das Schlaggelenk von R-22 oder Jet Ranger an - du wirst merken, dass dieses teetering-gelenk hochgesetzt ist - und zwar ziemlich genau so hoch,. dass es im Flug auf Höhe des Blattschwerpunktes sitzt und somit den Effekt des Konuswinkels ausgleicht. Das ist kein zufall, denn diese Maßnahme soll den 1/rev-Anteil weitgehend unterdrücken und den amplitudenmässig schwächeren 2/rev-Anteil übriglassen. Dieser braucht nicht unbedingt weggedämpft (oder gar artikuliert) werden, weshalb einige Hubschraubertypen mit Teetering-Rotorsystem OHNE schwenkgelenke und OHNE Schwenkdämpfer auskommen.

Gehe mit deinen Ausbildern nicht scharf ins Gericht, ein guter Mech BRAUCHT die Details über das Warum eigentlich nur aus weiterführendem Interesse, nicht aber unmittelbar für seine Arbeit. Zudem gibt es auch dort viele "vereinfachende" Lehrmeinungen - und das ist auch gut so, denn die tatsächlichen Verhältnisse sind offensichtlich recht kompliziert. Auch Piloten wissen das oft "falsch", aber auch für deren Job ist das nicht relevant.
Dennoch finde ich es gut, dass das Thema bei euch offensichtlich in der Ausbildung angesprochen wurde.
Bei meiner "Ausbildung" gehörte das allenfalls zum Kürprogramm, vielleicht 5% aller Abgänger haben sich freiwillig (und sehr knapp) damit außeinandergesetzt.

gruß
andi
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Ladidadi
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#10 Re: Schwenkt das voreilende Blatt nach vorne oder hinten?

Beitrag von Ladidadi »

:thumbright:

Danke Andi.

Für mich ist es wichtig das ich mein Grundwissen relativ sicher beherrsche.

Das es natürlich auch anders geht ist mir klar.

Bis vor kurzem war ich,sowie eigentlich fast alle Menschen der Meinung das 1+1=2 ist und musste mir dann von jemandem der Mathematik-Prof. werden will auf 3 doppelt beschriebenen Din-A4 Seiten zeigen lassen das dem nicht so ist. :shock:

Aber wie gesagt:

Dein Wissen befindet sich in einer anderen Ebene die meiner Meinung nach nur jemandem weiterhilft der den passenden Wissensdurst und die Ausdauer dazu hat.

Was nicht böse oder negativ gemeint ist.

Ich danke dir trotzdem nochmal das du mein vorhandenes Wissen um einiges erweitert und bereichert hast.
Gruss Daniel

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acanthurus
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#11 Re: Schwenkt das voreilende Blatt nach vorne oder hinten?

Beitrag von acanthurus »

Das ganze zeigt nur mal wieder deutlich dass es viele Gesichter des gleichen Wissens gibt.

Der Physik-Abiturient "weiß" dass F=m*a ist, während der Ingenieurs-Erstsemester das ganze als F_vektor=m_skalar*dv_vektor/dt reingedrückt bekommt. Der Physik-Drittsemester kontert das dann mit dp_vektor/d_t=v_vektor*dm/dt+ m*dv_vektor/dt. Der Aerodramatiker benötigt eine halbe din-a-4-seite, um die reynoldsgemittelten Navier-Stokes-Gleichnungen anzuschreiben. Alle meinen jedoch denselben Sachverhalt, die Impulserhaltung, und alle haben (im Rahmen der jeweils gültigen Anwendungen) recht. Insofern sehe ich da keinerlei Konfliktpunkt.
Ich bemühe mich dann auch, das jeweils mit genug Text auszukleiden, dass jemand mit - sagen wir mal stabilem Physik-basiswissen - damit was anfangen kann.
Was ich aber überhaupt nicht abkann sind die vielen verbreiteten bequemen, aber falschen "Erkenntnisse" - wie z.B. die Geschichte mit den unterschiedlichen Weglängen auf der unter- und Oberseite eines Profils. Da bin ich dann gerne mal bereit, auch auf konfrontationskurs zu gehen.

grüßle

andi
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crashmaster
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#12 Re: Schwenkt das voreilende Blatt nach vorne oder hinten?

Beitrag von crashmaster »

Hallo!

Ein Detail, das noch gar nicht angesprochen wurden, ist die Fluggeschwindigkeit. Im Schwebeflug ist doch eigentlich gar keine Seite vorauseilend, das passiert doch erst, wenn sich der Heli durch die Luft bewegt. Die Differenz des Luftwiderstands zwischen den beiden Seiten müsste entsprechend der Geschwindigkeit zunehmen, sodass der Luftwiderstand die Coriolisbeschleunigung ggf. irgendwann ausgleicht oder sogar übersteigt. Ab diesem Punkt würde das vorauseilende Blatt dann doch nach hinten schwenken. Oder nicht?

Gruß,
Claus
T-Rex 250+450 Pro, Microbeast (das taucht ja wirklich! :-))
Protos 500 CFK, SH-1250MG, BLS251, HK-3026-880V2, Roxxy 960-6, VStabi 5.1
Logo 600 3D VStabi, HK4035, CC BEC Pro JIVE HV80+, SC-1257, SH-1290
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Videos vom 5. DMFV Scale-/Semi-Scale Hubschrauber Meeting
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acanthurus
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#13 Re: Schwenkt das voreilende Blatt nach vorne oder hinten?

Beitrag von acanthurus »

Hi

Ganz so einfach ist die Sache leider nicht. Zunächst könnte man annehmen, dass das vorlaufende Blatt von seiner höheren Anströmgeschwindigkeit nach hinten gedrückt wird und deshalb nacheilt. Allerdings kommt dazu dass das rücklaufende Blatt im getrimmten Vorwärtsflug ja einen höheren Anstellwinkel hat (zyklische Steuerung, trimm im Vorwärtsflug... Schlagraktion 90° später, also hinten - ihr wisst schon) und damit auch einen höheren Widerstandsbeiwert. Der induzierte Widerstand (nicht der Beiwert, sondern die absolute Kraft) ist somit fast gleich auf vor- und rücklaufender Seite, und lediglich der parasitäre (Reibungs)widerstand ist auf der vorlaufenden Seite größer als auf der rücklaufenden. Dieser macht aber nur etwa 1/3 der Gesamtwiderstandskraft aus, so dass der Widerstandsunterschied zwischen vor- und rücklaufender Seite VIEL kleiner ausfällt als man das zunächst annehmen würde. (Bei "manntragenden" wirds etwas deutlicher, da dort noch der transsonische Wellenwiderstand an der vorlaufenden Seite dazukommt, bei unseren Modellen ist dieser irrelevant, deshalb hier nur am rande erwähnt.)
Zudekm kommt noch dass der Luftkraftangriffspunkt am rücklaufenden Blatt weiter außen liegt und somit das (eigentlich entscheidende) Schwenkdrehmoment, welches sich aus Luftkraft x Hebelarm zusammensetzt, nicht wesentlich unterschiedlich wird.
Zuletzt kann man noch rechnerisch zeigen, dass der massendynamische Effekt der o.g. Coriolisbeschleunigungen deutlich stärker ist als der Unterschied in den Luftkräften. Das wäre aber etwas "füllig" und Formellastig - und bisher gings doch soooo schön ohne Mathe.
Kurzum: Im Prinzip ja, in der Praxis kaum, und gut dass der Punkt angesprochen wurde.

So, habe ich mir damit nicht slebst wiedersprochen, indem ich schreibe, die Dynamik sei dominant, während mein Diagramm zeigt dass der statische SChwenkwinkel viel größer ist als der dynamisch?? Nein, den die o.G. Betrachtungen beziehen sich lediglich auf den veränderlichen Teil der Luftkräfte (welcher für die wechselnde Schwenkbewegung verantwortlich ist), nicht aber auf die konstante Mittellage (den pre-lag in der Fachsprache)

Wo die Sache mit den Luftkräften allerdings mit allergrößter Bedeutung reinkommt ist bei der DÄMPFUNG der Schwenkbewegung. "Vortex" Klaus hat das Problem schon beim Namen genannt - Schwenkdämpfer. Je größer der Fortschrittsgrad (das Verhältnis von Fluggeschwindigkeit zu Blattspitzengeschwindigkeit), desto schlechter ist insbesondere an der rücklaufenden Seite die Dämpfung der Schwenkbewegung. WARUM das so ist führt jetzt etwas zu weit, Argumente können ggf. nachgeliefert werden. Das kann soweit gehen dass die Schwenkbewegung zu chaotischen Bewegungsformen führt, welche dann auch noch Resonanzen mit dem Chassis eingehen können. Das Schlagwort heißt "Bodenresonanz", und wer mal einen logo30 von befestigtem Grund aus gestartet hat, der weiß, von welchen "Chaotischen Verhältnissen" ich schreibe. Lange Rede, kurzer Sinn: Im Gegensatz zur Schlagbewegung ist die Schwenkbewegung durch die Luftkräfte kaum gedämpft, weshalb i.d.R. künstliche, mechanische Dämpfer erforderlich sind. Bei unseren Modellen ist das schlichtweg die Reibung des Blattes im Blatthalter (die Blatthalter-Schraube sollte ja bekanntlich nicht zu fest, aber auch nicht völlig lose sein). Dort wird beim Schwenken ein gewisser Energiebetrag der Schwenkbewegung weggedämpft, und unser Rotor dreht stabil.


Schönes Thema, so langsam gehts hier echt ans Eingemachte, was Rotordynamik angeht,

gruß
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mic1209
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#14 Re: Schwenkt das voreilende Blatt nach vorne oder hinten?

Beitrag von mic1209 »

acanthurus hat geschrieben:Schönes Thema, so langsam gehts hier echt ans Eingemachte, was Rotordynamik angeht,
Ich glaube, ich steige hier aus. :roll: :drunken: :drunken:
Gruß
Michael

Wenn du aufgibst, wirst du nicht erfahren, ob es das nicht doch wert gewesen wäre. (Damaris Wiesner)

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Peter F.
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#15 Re: Schwenkt das voreilende Blatt nach vorne oder hinten?

Beitrag von Peter F. »

mic1209 hat geschrieben:Ich glaube, ich steige hier aus. :roll: :drunken: :drunken:
Jetzt erst? :oops:

Mir fällt hier nur noch ein dickes "Danke Andi!" ein. :thumbright: :thumbright: :thumbright:

(Vielleicht kapier´ich irgendwann auch mal, warum eine Hummel doch fliegen kann. Ihr wisst schon, ist ein ähnlich komplexes Thema. ;-) )
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