Hallo miteinander.
Jürgen hat mich per PN gebeten, hier mal reinzuschaun, um diese und auch eine andere Frage anzusprechen. Ich kann also nix dafür

(für das, was jetzt kommt)
Den Standschub-Artikel von Helmut habt ihr ja netterweise bereits gefunden. Ich empfehle diesen meist als "Standardwerk", wenn man sich zum ersten mal mit dem Thema Schuberzeugung, Propeller und Rotoren befasst. Helmut bringt langjährige Erfahrung und Praxis, einen absolut fundierten theoretischen Hintergrund und eine beneidenswerte Litaratursammlung mit, gepaart mit reichlich Erklärungsfähigkeit und Geduld... der o.g. Artikel und seine vielen fundierten Beträge bei RCL und RCN belegen das. Eigentlich stet bei Helmut alles drin...
Zum Thema bzw. den Themen.
Frage 1: kommt das in der Praxis auch vor, dass man einen Antrieb zB. beim Funjet
so schnell drehen lassen kann, dass der Standschub schon wieder abnimmt?
Das kann man mal pauschal mit NEIN beantworten, unter Vorbehalt. Innerhalb gewisser Betriebsgrenzen gilt stets dass ein starrer Prop mit zunehmender Drehzahl auch mehr Schub bringt... das lässt sich innerhalb noch engerer Grenzen sogar recht einfach quantifizieren (Formeln 32, 33 in Helmuts Artikel, es gilt ein quadratischer Zusammenhang)
Welche Vorbehalte gibt es nun?
1. Die Strömung am Blattpropeller muss sauber anliegen. Das setzt voraus, dass die Steigung innerhaln gewissen Grenzen zum Durchmesser passt. Bei zu großer Steigung löst die Strömung (ggf. teilweise) ab und der Prop wühlt im eigenen Strömungsmüll... oft bei Pylonracern im Stand zu beobachten, die da heftig rauschen.. sobald Vorwärtsdurchströmung dazukommt (Fahrt) hört das Rauschen PLÖTZLICH auf und der SChub nimmt drastisch zu. Die Drehzahlabhängigkeit dieses Effekts ist nicht so schön "glatt" als dass man sie einfach voraussagen könnte - sie ist aber vorhanden.
2. die Steigung darf auch nciht zu klein sen. Das andere Extrem ist eben eine sehr kleine Steigung. Dann stimmt zwar noch grob der quadratische Zusammenhang zwischen Drehzahl und Schub, aber der kubische Zusammenhang zwischen Drehzahl und Leistung passt nicht mehr (Formel 29), da man vereinfacht gesagt einfach zu viel widerstandsverursachende Propellerfläche durch die Strömung mitzieht, die man zur Schuberzeugung eigentlich gar nicht bräuchte... das trifft auf unsere Hubschrauber zu, wenn wir sie mit Kampfdrehzahlen schweben ... sehr wenig Pitch zum schweben nötig wegen der hohen Drehzahl.
3. Wir müssen weit genug von der Schallgeschwindigkeit entfernt arbeiten.
Bei extrem hohen Drehzahlen, ab Blattspitzen um die 250m/s, kann es im Bereich der Propellerströmung Gebiete mit lokaler Überschallströmung geben (das heißt NICHT, dass der Prop selbst schneller als Schallgeschwindigkeit sein muss; das Problem tritt bereits davor auf). In diesem Bereich ändert sich das grundsätzliche Verhalten der Strömung in vielerlei Hinsicht... es kann auch bei kleinen Steigungen zu (sog. stoßinduzierten) Ablösungen kommen, und generell nimmt der Leistungsbedarf sehr stark zu. Die Spielregeln werden sehr viel schwieriger, die bewährten Formeln versagen.
4. Der Prop muss auch wirklich starr sein. in vielen Fällen der Praxis, bei denen der Schub bei zunehmenden Drehzahlen hinter den Erwartungen zurückbleibt, liegt das daran dass sich der Propeller bei zunehmenden Drehzahlen in Richtung kleinerer Steigungen verwindet, und bei sehr weichen props ggf. auch die Profilwölbung im Blattsegment geringer wird. Das hat dreierlei Ursachen:
a) rein mechanisch durch die Fliehkräfte, das sog. Propellermoment (kennt ihr von euren PMGs am Heck)
b) aerodynamisch durch die höheren Luftkräfte und den damit verbundenen Pitchmomenten am Blattsegment
c) als Nebeneffekt der transsonischen Problematik (siehe 3). Bei Überschallströmungen ist der Druckpunkt im profilschnitt deutlich weiter HINTEN und führt zu einem abnickenden (=steigungsreduzierenden) Drehmoment auf den Prop. Das dürfte bei uns aber derzeit noch weniger ein Thema sein, aber wie ich euch Kampfflieger kenne werden wir das Thema Transsonik spätestens in 5 Jahren mal ernsthaft diskutieren müssen, wenn die ersten 450er Helis mit 5000rpm am Kopf unterwegs sind.
Dinge wie "der Prop bekommt nicht genug Luft" sind erst im deutlich transsonischen Bereich (des Luftstrahls, nicht der Blattspitze!) ein Thema, darunter werden wir uns schwer tun, wirklich ernsthafte Dichteunterschiede zu erzeugen um dem Prop die Luft ausgehen zu lassen. Ist absolut kein Thema im Modellbau-Regime.
Harrys Probleme mit dem plötzlichen Gasgeben lassen sich so erklären:
Für plötzliches gasgeben ist die Steigung des Props zu groß. Die Strömung löst ab und der Prop wühlt im eigenen Müll. Es entsteht infolge der erzeugten Strömugnsgeschwindigkeit in Umfangsrichtung des Props) ein Unterdruckgebiet um den Prop, welches die darüberliegende Wasseroberfläche soweit (nach unten) verformt, dass sich Luft in die Strömung mischt und der Prop zum Schaumschläger wird. Wenn er langsamer gas gibt, so ist der Unterdruck nicht so stark dass sie Luft nach unten ziehen könnte. Zwar ist die Wasserströmung immer noch nicht sauber anliegend, aber es wird wenigstens rudimentär Schub erzeugt. Sobald genug Vorwärtsgeschindigkeit da ist kann sich die Strömung anlegen, da der Umfangsgeschwindigkeit des Props die Einströmgeschwindigkeit überlagert wird.. das Blattsegment "sieht" also einen geringeren effektiven Anstellwinkel.
Wenn jetzt richtig Gas gegeben wird gibt es zwar Unterdruck, aber nicht auf den "Punktbereich" des Props konzentriert sondern auf die gesamte Stromröhre des vom Prop durchfahrenen Wassers verteilt - und das reicht ggf. nicht zum Luft ziehen.
Mit Kavitation hat das noch nichts zu tun... der Fachbegriff für diesen Effekt dürfte "Ventilation" sein, wenn ich (Landratte) mich nicht irre. Der Schiffspropeller hat also primär das Problem, dass er zu dicht unter der Wasseroberfläche ist... also nicht mit den Verhältnissen eines Flugzeugpropellers vergleichbar.
Jürgen hat in der PN um Aufklärung bez.
Dichteabhängigkeit des Schubes gefragt, speziell auch im Hinblick auf Rundfluggeschindigkeit beim Hubschrauber (der Jürgen hats irgendwie immer eilig.. kauf dich mal Pylonflieger, dann kannste den Heli mal wieder artgerecht zum HOVERN nehmen)
Zunächst ist es so dass bei einem Rotor die erforderliche mechanische Antriebsleistung zur Erzeugung eines gewissen Schubes (im Schwebefall dem Gewicht des Hubschraubers entsprechend) mit zunehmender Dichte ABNIMMT. Ein Hubschrauber, der in großer Höhe oder unter heißen Bedingungen operiert braucht deshalb zum Abheben MEHR Qualm unter der Haube.. in der manntragenden Branche spricht man da auch von "Hot and High Capability". Dieses Ergebnis erhält man schlicht aus Formel 8 aus Helmuts Artikel (manchmal auch Bendemann`sche Formel genannt). Diese Formel berücksichtigt aber NUR die Dichte des Mediums und die Größe der Rotorkreisfläche... stellt also den Optimalfall einer "angepassten Drehzahl" dar.
Wenn ich in großen Höhen fliege, dann sollte ich eigentlich die Drehzahl erhöhen, um den Rotor besser an die bedingungen anzupassen... beim (manntragenden) Heli rennt man da aber sehr schnell in das Problem mit der schallnahen Strömung am Rotorblatt.. zum Einen wegen der höheren Drehzahl, zum Anderen wegen der in großen Höhen i.d.R. geringeren Temperatur... dadurch sinkt die Schallgeschwindigkeit, und ich nähere mich den Einschränkungen infolge SChallgeschwindigkeit bereits bei kleineren Drehzahlen. Dennoch, ganz pauschal, je dichter die Luft, desto geringer der Leistungsbedarf, bzw. je dichter die Luft, desto mehr Schub kann ich aus meinem unveränderten Elektroantrieb herausholen - immer unter der Voraussetzung, dass das System nicht VÖLLIG FEHLANGEPASST läuft (wie z.b. ein Hubschrauberrotor unter Wasser, als Dichte-Extremfall)
Wie sieht das denn nun im Rundflug aus? Da muss ich ja nicht nur die Schwerkraft überwinden, sondern auch noch den Luftwiderstand von Zelle und Rotor. Wir haben gerade gesehen dass die Überwindung der Schwerkraft mit größerer Luftdichte einfacher wird. Die Überwindung des Lufwiderstandes wird jedoch schwerer. Was überwiegt jetzt?
Wir zerlegen dazu mal unseren Rotorschub in die Auftriebskomponente (zur Überwindung der Schwerkraft) und eine Schubkomponente zur Überwindung des Luftwiderstandes.
Luftwiderstand steigt proportional zur Dichte an. Setzen wir jetzt mal einfach eine feste verfügbare Rotorleistung voraus. Helmuts Formel nr. 7 gibt uns den Hinweis: der Schub steigt (bei gleicher Leistung) mit der 3. Wurzel der Dichte. D.h. was die reine Vorwärtskomponente angeht, so kann bei konstant verfügbarer Lesitung die begünstigende Auswirkung einer hohen Dichte NICHT die Erhöhung des Luftwiderstandes ausgleichen.. leuchtet aus dem bauchgefühl heraus auch ein.
Aber: Je nachdem wie stark das Verhältnis von von Auftriebserzeugung und Vorwärtsschuberzeugung ist (oder in anderen Worten, je nachdem wie stark der Hubschrauber die Nase runternimmt, oder nochmal anders, je nachdem wieviel LeistungsÜBERSCHUSS wir zur Verfügung haben) tritt einmal die Einsparung in der Schwebeleistung und einmal der erhöhte Luftwiderstand in den Vordergrund.
Als Extrem-Beispiele: ein schlaff motorisierter Heli, der gerade mal so das Schweben schafft, kann in dichterer Luft sicherlich schneller fliegen, da er dort überhaupt erstmal etwas Überschussleistung freischaufeln kann um damit (über die Leitungsersparnis des ÜPbergangsauftriebs hinaus) Vorwärtsschub übrig zu haben.
Eine ultrakrasse Kampfmaschine mit einem Schub/Gewichtsverhältnis von 10:1 wird gegen die Wand des Luftwiderstandes anrennen und in dichterer Luft ggf. nicht die Endgeschwindigkeit erreichen wie in dünnerer Luft
Das Ganze gilt aber ebenfalls nur, solange wir mit einem einigermaßen auf die jeweiligen Bedingungen abgestimmten Setup fliegen, da wir sonst schnell wieder in die Randbereiche vordringen, in denen die einfachen Formeln nicht anwendbar sind.
So, genug Theorie für einen Tag..
gruß
andi