Hallo, Thomas.
Ohne jetzt auf deine Messwerte einzugehen:
Für ein (massefreies, ideales) Paddel oder ein Rotorblattsegment gilt folgende Grundregel:
Die Schlagamplitude des Paddels wird (im Stand, ohne äußeres Zutun) nicht größer als seine zyklische Einstellwinkelamplitude.
Das ist auch rechnerisch recht einfach zu belegen - extra für dich mit viiiiel Formeln
und ohne Garantie auf Fehlerfreiheit, da ad hoc ohne Hilfsmittel herge
litten
Die Schlagbewegung bewirkt eine vertikale Eigen
geschwindigkeit, welche, überlagert mit der Drehgeschwindigkeit, eine Anstellwinkeländerung ENTGEGEN der zyklischen Ansteuerung bewirkt.
Wenn ich ein Paddel auf Radius r mit Drehrate Omega und Schlagamplitude beta_0 habe, dann habe ich einen etwa sinusförmigen Verlauf der Schlagbewegung über die Zeit:
beta(t)=beta_0*sin(Omega t)
Natürlich könnte man auch noch eine Phasenposition definieren (also noch ein +psi_0 in die Klammer nehmen oder einen cos draus machen o.Ä.), aber uns gehts ja erstmal um die Beträge.
Der vertikale Versatz des Paddels ergibt sich zu
z(t)=r*sin(beta(t)). Ich darf mal wieder vereinfachend die Annahme kleiner WInkel ansetzen, mit sin (x) = x (im Bogenmaß), da wir von Amplituden <20° sprechen
Damit ergibt sich ein zeitlicher Verlauf des Vertikalversatzes zu
z(t)=r*beta_0*sin(Omega t)
Die vertikale Eigengeschwindigkeit ergibt sich durch Ableitung nach der Zeit:
v_z(t)=r*beta_0*Omega*cos(Omega t) (innere Ableitung der Funktionsverkettung nicht vergessen, daher kommt das Omega vor dem cos)
Schauen wir uns die dadurch (in ruhender Luft) entstehende induzierte Anstellwinkeländerung an, so ergibt sich
alpha=arctan(v_z(t) / Omega*r).. Erneut vereinfachen wir für kleine Winkel tan(x)=x und erhalten
alpha(t)=r*beta_0*Omega*cos(Omega t) / Omega * r
oder
alpha(t) = beta_0*cos(Omega t)
oder bez. der Amplituden:
alpha_0=beta_0
(Q.E.D., wie der Schwabe sagt)
Das heißt im Klartext (für Mirko
):
Eine gegebene Schlagbewegung um einen Winkel beta_0 hat dieselbe aerodynamische Wirkung wie eine um 90° versetzte einstellwinkeländerung derselben Größe.
Wenn wir uns jetzt in Erinnerung rufen, wie die Phase einer zyklischen Einstellwinkeländerung ist um diese SChlagbewegung zu provozieren, so kommen wir auf ein theta(t)=
- theta_0 *
cos(omega t) (eben 90° VOR dem Sinus)
Wenn wir also mit einem zyklischen Steuerausschlag die Stabistange (oder das Blatt, im FBL-Fall) zu einer Schlagbewegung anregen, so bewirkt die Schlagbewegung mittels der Geschwindigkeit des Vertikalversatzes selbst, dass diese SChlagbewegung aerodynamisch begrenzt wird. Für ein frei schlagendes, ideales Paddel wird also als asymptotischer Grenzfall EXAKT diese Amplitude erreicht, bei einem "härter" aufgehängten Rotor wird es entsprechend weniger Schlagbewegung sein, da die Mechanik ebenfalls dagegen arbeitet.
Diese Betrachtung erklärt auch, warum du trotz recht großer geometrischer EInstellwinkel am Paddel keine massiven Strömungsablösungen hast.. wenn du deinem geometrischen Einstellwinkel theta den durch die Schlagbewegung induzierten Anstellwinkel alpha überlagerst, erhältst du einen VIEL kleineren Wert - im theoretischen idealfall sogar Null - für den tatsächlichen aerodynamisch wirksamen Anstellwinkel.
Das alles gilt freilich nur für den ungestörten Standfall mit zyklischem Ausschlag. Im realen (Vorwärts)flug kann die Schlagamplitude die Einstellwinkelamplitude überschreiten (wer schon mal nen Blade mSR aus der Nähe betracht hat...ok, das ist eigentlich ein reiner ungemischter Hiller-Rotor), aber das rechnerisch abzuleiten ist a) extrem viel schwieriger und b) etwas umfangreicher.
Ich denke, eine schlüssige Darstellung. warum es nicht zu ständigen Strömungsablösungen kommt, habe ich damit gegeben.
Zusätzlich kommt noch hinzu dass die Überzieh-Eigenschaften im dynamischen fall (also bei ständig wechselndem Anstellwinkel) nochmal anders sind - und zwar "gnädiger". Die Strömung reißt verzögert und bei erst größeren Anstellwinkeln ab. Das Stichwort dazu heiß
Dynamic Stall und spiel vor Allem im Innenbereich der Rotorblätter im Vorwärtsflug (rücklaufende Seite) eine bedeutende Rolle.
Die Frage "Wieviel Stabistangenausschlag brauche ich konstruktiv?" ist damit leider nicht beantwortet, und sie lässt sich auch nur mit einer Betrachtung des gesamten, "gemixten" Systems beantworten - die "Schlaghärte" des Rotors spielt dabei eine entscheidende Rolle (denn sie bestimmt, wie schnell der Gesamtheli dem zyklischen Ausschlag folgt), und das Mischungsverhältnis von Stabistange und Direktanteil aus der TS natürlich auch.
Ich habe mal irgendwo eine Entwurfsfaustregel gesehen, welche besagte
Schlagbereich Stabistange= max. zyklischer Paddel-Einstellwinkel + max. zyklischer Direktanteil des Rotorblattes bei horizontal gehaltener Stabistange.
Eine Begründung dafür habe ich nicht gefunden. Der erste Anteil dieser Summe entspricht dem, was ich weiter oben vorgerechnet habe - der zweite "fällt vom Himmel" und dient als Sicherheitsfaktor. Ich halte diese Abschätzung für konservativ.
I told my mom when I grow up I want to be an Engineer, she told me I can't do both!