Hi..
Egbert hat mich per PN hierherzitiert, damit ich mal was zur Theorie der Rollrate/Schwerpunktabstand dazusenfe.. also bitteschön (nicht meine Schuld

)
Zunächst muss man sich mal anschauen, wodurch die Rollrate eigentlich entsteht.
Es gibt 3 Aspekte zu betrachten:
1. Steuermomente (am Beispiel eines Rollmomentes)
Da gibt es zwei Anteile:
a) den sog. Schubanteil. Durch die Schrägstellung der Blattspitzenebene bei Rollausschlag wird auch der Schubvektor geneigt. Durch den Abstand des Schubvektor-Angriffspunktes vom Schwerpunkt entsteht ein Rollmoment. "kardanische" Rotorsysteme ala Jetranger steuern AUSSCHLIESSLICH so.
b) den freien Momentenanteil - auch mastmoment genannt. Dieser entsteht durch die Steifigkeit des Rotorsystems, d.h. das Neigen der Blattspitzenebene bewirkt DIREKT eine Drehtendenz um das Zentralstück. Da es sich aber um ein FREIES Moment handelt, ist diese Wirkung UNABHÄNGIG vom Schwerpunktsabstand der Rotorebene
Beim Modellheli ist der Anteil b) STARK dominant... zu gut 90%. Wäre Anteil a) wichtig, dann wäre das Rollverhalten in Rückenlage SIGNIFIKANT anders als in Normallage... und zwar erheblich LANGSAMER. Zudem würde bei GRÖSSEREM Abstand der Rotorebene die Rollrate STEIGEN (was die eigentliche Fragestellung auf den Kopf stellt). Also, anteil a) tritt deutlich in den Hintergrund.
Nach diesem Muster ist das durch die Rotorkreisscheibe aufgebrachte Rollmoment nicht wesentlich abhängig vom Schwerpunktsabstand, und falls überhaupt so dass die Rollrate vom Rotorschub selbst abhängt... und zwar in Rückenlage invers.
ABER das Rollmoment ist nur ein Teil der Wahrheit, man muss auch betrachten, auf was für einen Körper es wirkt.
deshalb
2. Massenträgheit am Beispiel des Rollträgheitsmomentes
Wirkt ein freies Moment auf einen körper, so erfährt dieser eine Winkelbeschleunigung. Je größer das Rotationsträgheitsmoment des Körpers, desto langsamer ist die Rollbeschleunigung. Ist die Massenverteilung eines Körpers weit außen konzentriert, so ist sein Trägheitsmoment größer. Und das ist der Fall, wenn der Rotor weit weg vom Schwerpunkt sitzt. Man erinnere sich an den SChreibtischstuhlversuch mit ausgestreckten und angezogenen Armen.
Aber ACHTUNG: Das Trägheitsmoment ist nur für die ÄNDERUNG der Rollrate verantwortlich, nicht für diemaximal erreichbare RollGESCHINDIGKEIT! D.h. ein kleiner Abstand Rotor-Schwerpunkt begünstigt ein schnelles EIN- und AUSLEITEN einer Rollfigur, aber nicht die maximale Rollrate (bei 30 am Stück geflogenen Rollen). Für die Rollrate kommt noch der 3. Punkt ins Spiel.
3. die Rolldämpfung
Die (in etwa) rollgeschwindigkeitsproportionale Dämpfung, welche die maximale Rollrate begrenzt, ist beim Hubschrauber eine fast lupenreine aerodynamische Dämpfung.
Sie entsteht dadruch, dass die durch die Rollbewegung erzeugte Relativgeschwindigket die Anströmrichtung am Rotorblattsegment dahingehend beeinflusst dass der Rotor der Rollbewegung "von allein" entgegenwirkt (lässt man den Stick los, hört die Rollbewegung sehr schnell auf).
Würde die Rotorebene genau auf Schwerpunkthöhe sitzen, so wäre die Rolldämpfung auf "rechter" und "linker" Hälfte der Rotorkreisscheibe gleich verteilt. Mit einem gewissen Abstand wird die Dämpfung unsymmetrisch... aber in der Summe einigermaßen konstant. Die Dämpfung hängt maßgeblich vom Abstand Blattspitze - schwerpunkt ab. Dieser wird zwar mit zunehmendem Abstand Rotor-Schwerpunkt auch größer, aber eben nicht sonderlich stark.
Fazit:
Mit zunehmendem Abstand der Blattspitzenebene vom Schwerpunkt wird durch den Restanteil a) aus Abschnitt 1 die Rollwirkung ein klitzekleinwenig "verungleichmässigt" (normal- und rückenlage), und die Rolldämpfung minimalst erhöht. Die
Rollrate an sich wird dadurch im Mittel aber
nicht merklich erhöht.
Eine Reduzierung des Trägheitsmomentes (Konzentration der Massen möglichst dicht am Schwerpunkt), siehe Abschnitt 2, wirkt sich jedoch positiv auf die
Änderungsraten für wechselnde Roll- und Nickbewegungen aus (TicTocs und so´n Blödsinn).
Ich hoffe das wirft etwas Licht ins Dunkel. Jetzt hoffe ich dass ihr wenigstens so viel Zeit mit Lesen verbringt wie ich mit schreiben.
Noch einen kleinen Edit weil inwzischen noch ein Post dazukam: Das ganze "Kreiselgedöhns" des Rotors kann man guten Gewissens außer Acht lassen, das ist mit der ganzen Phasenwinkelgeschichte zwischen zyklischer Steuerung und Neigung der Rotorebene bereits vollständig verdaut ... es gelangt keine Präzessionswirkung am Rotormast an, eben WEIL der Hubschrauebr so eingestellt ist (notfalls mittels virtueller taumelscheibenverdrehung) dass Nick auch wirklich Nick ist...
Lediglich bei der aerodynamischen Dämpfung kommt das nicht ganz hin, allerdings fällt das bei den hier betrachteten GROSSEN Rollraten viel weniger ins Gewicht als bei kleineren Korrekturausschlägen.
"Kreiselgedöhns" der Antriebskomponenten (Motor, Turbine etc.) sind quasi ausschließlich Präzessionseffekte, und Präzessionsmomente sind FREIE Momente - hängen sofern nicht von Achs-Schwerpunkt-Abständen ab.
gruß
andi